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Ohrenkitzler. Der israelische Jazztromper Avishai Cohen.

© Adam Warzawa/dpa

Avishai Cohen in Berlin: Der Klang herannahender Nacht

Feingeister: Der israelische Jazztrompeter Avishai Cohen beeindruckt mit Band im Berliner Bi Nuu.

Was für ein Kitzel in den Ohren: Avishai Cohens Trompete, eben noch lyrisch zurückhaltend, jetzt mächtig, zielt mit seinem Instrument ins Flügelinnere. Ganz alleine im Dialog mit den Saiten lauscht er auf die langsam verhallenden Obertöne. Der israelische Jazzer hat am Sonntagabend Stücke seiner zwei jüngsten ECM-Alben ins Bi Nuu mitgebracht. Musik, die in ihrer zurückhaltenden Coolness und ihrem Verzicht auf Pathos wie gemacht zu sein scheint für ein kühles Herbstwochenende.

Was nicht heißen soll, dass die Musik von Cohens Quartett emotionslos ist. Nur klingt das, was sich an verträumter Melancholie, aber auch brodelnder Bewegung im Zusammenspiel der vier Israelis tut, derart von Subtilität geprägt, dass man am besten die Augen schließt. Dann nimmt man das ultrapräzise Bassspiel von Barak Mori wahr, der sich mit Avishai Cohen in Call-and-Response-Manier in luftige Höhen hinaufspielt, und dessen erdige Lines sich zwischen der Haltekraft des Blues und der avantgardistischen Power eines Cecil McBee einpendeln.

Die vier Musiker sprengen mit gekonnter Impro den Rahmen

Da rasen verschachtelte Beckenschläge und schlingern wankelmütige Hip-Hop-Grooves von Ziv Ravitz, der sich nie scheut, als Drummer das Ruder in die Hand zu nehmen. Und immer präsent ist Yonathan Avishai am Piano, langjähriger Begleiter des Trompeters, der mal mit Erroll-Garner-Blockakkorden über die Tasten holpert, um dann wieder Klangtupfer wie John Lewis, das Mastermind des Modern Jazz Quartet, zu produzieren.

Die Zugabe heißt „Into The Silence“. Jetzt sprengen die vier noch einmal improvisierend den vorgegebenen Rahmen. Ziv Ravitz lässt seine Sticks liegen, verzieht auf seinen Toms mit bloßen Händen die Töne wie auf einer westafrikanischen Talking Drum. Yonathan Avishai trippelt mit einer nahöstlich anmutenden Figur über die Klaviatur, bis sich ein Groove verfestigt, und Cohen setzt ein letztes Mal an. Die Trompete, die bei ihm sonst so luftig klingt, als hätte er einen Dämpfer, bläst die herannahende Nacht fort mit einer im Moment ewig wirkenden Strahlkraft.

Ken Münster

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