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Durchgebrannt. Nicht nur in Mitte stehen verkohlte Auto-Überreste.

© Annette Riedl/picture alliance/dpa

Auto-Überreste in Berlin Mitte: Müllodien für Millionen

Frederik Hanssen kommt am Checkpoint Charlie ins Stolpern: Sollen die ausgebrannten Auto-Wracks Touristen Angst einjagen?

Berlin braucht keinen neuen Werbeslogan fürs Stadtmarketing. Weil wir ja nicht nur längst weltberühmt sind, sondern eben auch, weil wir sind, wie wir sind. Erschreckend anders als der Rest der Republik. Aber gerade das lieben die nationalen wie internationalen Gäste ja an der deutschen Hauptstadt.

Das Raue, das Rotzige, der ewig Unfertige, den Ekelreiz, der einen beim Benutzen der immer schmuddeligen öffentlichen Verkehrsmittel beschleicht, das mulmige Gefühl beim Flanieren durch die Straßen. All das wird hier liebevoll kultiviert.

Wenn beispielsweise zwei Autos ausbrennen, dann räumen wir vielleicht die Wracks weg, die verkohlten Überreste der PKW aber lassen wir gerne öffentlichkeitswirksam liegen: rußige Reifenteile, ein bisschen Gestänge vom Chassis, zersprungenes Fensterscheibenglas, garniert mit einer der Motorhauben.

Toll sieht das aus, so richtig zum Gruseln für die Passanten, die in der Zimmerstraße unterwegs sind, einer der Hauptadern der Touristenströme in Mitte, die vom Checkpoint Charlie zum Gropius Bau und zur Topografie des Terrors führt.

Nehmt das, ihr Spießer! So heiß ist das Berliner Pflaster! Und wer weiß, vielleicht ergeht es euren scheckheftgepflegten Statussymbolen ähnlich, wenn ihr sie bei uns am Straßenrand abstellt ...

In den vergangenen 14 Tagen bildeten die Auto-Überreste in der Zimmerstraße eine hübsche Installation, seit Mittwoch sogar eingezäunt – zusammen mit den beiden herrenlosen Einkaufswagen auf dem Trottoir, die sich langsam mit Ayran-Bechern, Zigarettenschachteln und Burger-King-Tüten füllen, sowie zwei abgerockten Sofas, die ein freundlicher Mitbürger „zum Mitnehmen“ vor Yadegar Aisis Mauer-Panorama abgestellt hatte.

Die bereits seit zwei Monaten vor sich hin rottenden Sitzmöbel immerhin wurden jetzt abgeholt, nachdem sich eine entnervte örtliche Ladenbesitzerin an die BSR gewandt hatte. Was zu heller Aufregung bei visitBerlin geführt haben dürfte: Denn wer anderes als die Stadtmarktetingleute können die Urheber des schrottig-schönen Abenteuerspielplatz-Arrangements sein?

In Wahrheit nämlich ist der Berliner genauso ordentlich wie der Schwabe. Den ganzen Dreck machen wir nur für die Besucher. Weil die es nun einmal so von uns erwarten. Im Senat übrigens wird gerüchteweise doch gerade ein neuer Werbeslogan ventiliert: Alles Müller oder was?

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