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Das Frauenmuseum in Bonn ist Mitinitiatorin des Gabriele Münter Preises.

© Oliver Berg, dpa

Auszeichnung für Künstlerinnen: Der Gabriele Münter Preis liegt auf Eis

Vertagen, verschleppen, vergessen: Warum wird der einzige Preis für Künstlerinnen ab 40 nicht weitergeführt?

Kunstpreise gibt es viele, doch er ist einzigartig: der Gabriele Münter Preis richtet sich explizit an bildende Künstlerinnen über 40 Jahre. Benannt ist er nach der 1877 geborenen deutschen Expressionistin, die auch die Künstlergruppe „Der blaue Reiter“ mitgegründet hat. Ursprünglich wurde der Preis alle drei Jahre ausgelobt – doch aktuell besteht die Sorge, dass er in Vergessenheit geraten könnte.

Bislang wurde der Münter Preis vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK), dem Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstförderer (GEDOK) sowie dem Frauenmuseum in Bonn ausgeschrieben.

Doch zu einer erneuten Ausschreibung, die turnusgemäß 2019 hätte stattfinden sollen, kam es nicht. Dabei sei der Preis enorm wichtig, sagt Beate Passow, die Preisträgerin von 2017.

Der Verteilungskampf im Kulturbetrieb falle immer noch eindeutig zugunsten der Männer aus. Passow befürchtet, dass der Preis sang- und klanglos verschwinden könne. Zusammen mit der Kunsthistorikerin Barbara Straka engagiert sie sich dafür, dass dies nicht passiert.

Andere Schwerpunkte im Familienministerium

Auf Nachfrage des Tagesspiegels erklärt eine Sprecherin des Familienministeriums, dass der Auftrag aus dem aktuellen Koalitionsvertrag der „Bekämpfung von Sexismus“ galt. Somit sei es der „Schwerpunktsetzung einerseits und der Vielfältigkeit im Kultursektor andererseits geschuldet, dass das BMFSFJ nicht alle Bereiche dieses Sektors in gleichem Maße unter gleichstellungspolitischen Gesichtspunkten“ fördern könne.

Aktuell sei nicht geplant, den Gabriele Münter Preis erneut auszuschreiben. Die Sprecherin verweist auf die nächste Bundesregierung, die ihre Schwerpunkte im Kulturbereich neu festlegen müsse.

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Frauen sind im Kunstmarkt immer noch unterrepräsentiert. Eine Studie des Deutschen Kulturrats zu „Frauen in Kultur und Medien“ von 2016 hat die bestehende Ungleichheit untersucht. Dabei wurde aufgeführt, wie hoch der Anteil an Künstlerinnen war, die bei der größten deutschen Kunstmesse, der Art Cologne, in den vergangenen Jahren ausgestellt wurden.

Obwohl er mit der Zeit gestiegen ist, der Anteil an Werken von Künstlerinnen bis 2014 – dem letzten Untersuchungsjahr – nie höher als 35 Prozent.

Die neue Regierung soll's entscheiden

Trotz dieser Zahlen scheint der Gabriele Münter-Preis keine hohe politische Priorität zu genießen. Denn es ist nicht die erste Verzögerung in der Geschichte des Preises: Bereits zwischen 2010 und 2017 wurde der Preis nicht verliehen. Kristina Schröder (CDU), Familienministerin von 2009 bis 2013, hatte keine neue Auslobung initiiert, erst ihre Nachfolgerin Manuela Schwesig (SPD) veranlasste am Ende ihrer Amtsperiode eine Wiederauflage.

2018 stellte die Bundestagsabgeordnete Simone Barrientos (Die Linke) eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung, mit der sie auch wissen wollte, in wessen Verantwortung die Neukonzeption des Gabriele Münter Preises liege, und wann mit einem Ergebnis zu rechnen sei. Die Antwort lautete lediglich: „Die Überlegungen der Bundesregierung hierzu dauern an.“

Das Frauenmuseum Bonn, das Anfang der 1990er Jahre zu den Initiatoren des Preises gehörte, antwortet auf die Anfrage des Tagesspiegels, warum es bislang noch zu keiner neuen Ausschreibung gekommen sei, nur knapp. Aktuell stehe kein geeignetes Personal für die Ausschreibung bereit. Sobald dies aber der Fall sei, wolle man wieder mit dem Ministerium in Kontakt treten.

Neuausrichtung kommt nicht voran

Andrea Gysi, Geschäftsführerin des Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler betont, dass man bis Anfang 2020 im Rahmen des Arbeitskreises Geschlechtergerechtigkeit vom Deutschen Kulturrat über eine Neuausrichtung des Preises gesprochen hätte.

Dieser Prozess sei aufgrund der Corona-Pandemie aber zum Erliegen gekommen. „Ziel ist eigentlich, den Gedanken wiederaufzunehmen und nach der Bundestagswahl einen neuen Anlauf zu unternehmen“, sagt sie. Das Anliegen des Preises sei „überhaupt nicht obsolet“. Viele Künstlerinnen erlebten immer noch Unterbrechungen in ihrem Berufsleben, gerade durch Familienarbeit. Deswegen sei es wichtig, den Preis für Frauen ab 40 auszuloben.

Gysi hält allerdings eine Umstrukturierung des Prozesses für sinnvoll und könnte sich vorstellen, dass der Preis statt beim Familienministerium bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur besser angesiedelt sei.

Selbst das Familienministerium teilt offenbar diese Einschätzung. Die Sprecherin sagt, es sei in erster Linie „die fachliche Zuständigkeit der Beauftragten für Kultur und Medien (BKM), für mehr Gleichstellung und Diversität im Kulturbereich zu sorgen“.

Einer verweist auf den anderen

Künstlerin Beate Passow würde eine Ansiedlung des Preises bei BKM ebenfalls begrüßen. Schließlich gehe es in allererster Linie um die Kunst, sagt sie.

Sie regt an, dass etwa renommierte Museumsdirektorinnen in das Auswahlgremium berufen werden sollten. „Der Preis gehört in professionelle Hände, die den gesamten Prozess begleiten.“ Kunsthistorikerin Straka schlägt zudem eine Zusammenarbeit mit renommierten freien Kuratorinnen vor.

Ein Sprecher der Kulturstaatsministerin kann zu der Frage, ob eine Ausrichtung des Gabriele Münter Preises auch von der Beauftragten für Kultur und Medien ausgerichtet werden könne, keine Stellung nehmen und verweist stattdessen an das Familienministerium. Wie es mit dem Preis weitergeht, bleibt also ungewiss – es wird eine Aufgabe für die neue Bundesregierung sein.

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