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Akinbode Akinbiyi, Berlin, Tiergarten/Moabit, 2016. Mehr gibt es ab 7. Februar im Gropius Bau.

© Akinbode Akinbiyi

Ausstellungstipps für Berlin: Love Meetings und swingende Körper

Wir empfehlen: Kunst in Clärchens Ballhaus, Herman de Vries im Interview, Akinbode Akinbiyis Fotos im Gropius Bau - und Neues von Ai Weiwei.

Die Kunst ist der beste Stadtführer. Sie schickt einen immer dorthin, wo es gerade interessant ist, oder mal interessant war oder bald interessant wird. Diese Woche geht es ein letztes Mal in Clärchens Ballhaus. Außerdem empfehlen wir Körperkunst in einer Bar, freuen uns auf Fotos von Akinbode Akinbiyi und besuchen die Transmediale. Die Tipps stammen aus unserem Newsletter BERLINER-KUNST. Hier können Sie ihn kostenlos abonnieren.

Von User zu User

Die Transmediale, Berlins internationales Festival für Kunst und digitale Medien, ruft regelmäßig ein breites Spektrum an Reaktionen hervor: komplette Ratlosigkeit, Aha-Erlebnisse, beglückende Inspiration.

Die diesjährige Ausgabe, die letzte unter der Leitung von Kristoffer Gansing, behandelt unter dem Motto „End to End“ das Leben in und außerhalb von Netzwerken. Auf gewohnt hohem Niveau wird hier diskutiert, was von der ursprünglichen Idee der freien Kommunikation von User zu User übrig ist.

Die Lectures und Talks finden am Freitag und Samstag in der Volksbühne statt. Bitte vorher ausschlafen! Die Transmediale-Ausstellung läuft wie gewohnt im Haus der Kulturen der Welt.

Besonders die großen Videoinstallationen von Keiken und George Jasper Stone sowie von Johanna Bruckner künden bereits von einem langen, langsamen Abschied vom Menschsein, wie wir es kennen.

Symposium Fr und Sa, 31. Januar und 1. Februar, ab 10 Uhr, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz; Ausstellung bis So 1. März im Haus der Kulturen der Welt, 12-19 Uhr, Do 12- 22 Uhr. Info: transmediale.de

Kunst im Tanzlokal

Ein letztes Mal in Clärchens Ballhaus? Der Schinkelpavillon zeigt mit „Disappearing Berlin“ Kunst an Orten, die von Abriss, Privatisierung oder Umnutzung bedroht sind. Dieses Mal geht es mit dem Künstler Mohamed Bourouissa in das legendäre Tanzlokal in der Auguststraße, das seit Anfang Januar geschlossen ist. Am Freitag 31. Januar öffnen sich mit Film, Live-Musik und einem Gruß nach Beirut nochmal die Pforten für alle, bevor der neue Eigentümer die Sanierung startet.

Fr 31. Januar, 20 Uhr bis Mitternacht, Clärchens Ballhaus / Spiegelsaal, Auguststr. 24, Mitte. Info: disappearingberlin.de/info

Tap, Swipe, Touch

Die Kleine Humboldt Galerie gastiert in der Bar K. Wer beides nicht kennt, sollte erst recht am Samstag dabei sein. Die Bar K befindet sich in der Köthener Straße 28, und beherbergt nicht nur einen Tresen, sondern mittlerweile auch eine Non-Profit-Galerie.

Die Künstlerin Yvon Chabrowski zeigt dort zwei Filmarbeiten zum Thema Körperlichkeit. Und die russische Gruppe zh v yu greift das Thema in der Performance „The Garden“ auf.

Sa 1. Februar, 20 Uhr, Ausstellung bis 8. Februar. Bar K, Köthener Str. 28, Kreuzberg.

Broadcasting & Drinks

Und noch eine Bar mit Kunst: Im TV in Schöneberg ist am Samstag die in Berlin lebende Musikerin, Autorin und Broadcast-Königin Mia van Matt zu Gast. Sie plaudert und flirtet mit Filmemacher*in Nicky Miller und sendet live hinaus in die Stadt.

Sa 1. Februar, 21 Uhr, TV, Potsdamer Str. 151. Bitte anmelden unter: info@t-v.city

Berlin und Lagos

Akinbode Akinbiyis Trick, um in das Gewebe einer Stadt einzutauchen ist – sich zu entspannen. So erzählte es der Fotograf 2019 in einem Interview. Akinbiyi schafft in hektischen Metropolen wie Lagos und São Paulo oder auch in seiner gemächlicheren Wahlheimat Berlin spannungsvolle Bilder.

Seit vielen Jahren fotografiert er etwa in der afrikanischen Diaspora und in den afrodeutschen Communitys in Wedding. Die Serie „African Quarter“ sowie seine tollen Schwarz-Weiß-Bilder aus Lagos sind im Gropius Bau zu sehen.

Eröffnung, Do 6. Februar, ab 19 Uhr, bis 17. Mai, Gropius Bau, Niederkirchnerstraße 7, Kreuzberg, Mi-Mo 10-19 Uhr.

Love Meetings 

Die Künstlerin Konstanze Schmitt erforscht Liebesbeziehungen, dafür begab sie sich im rauen Wedding auf eine performative Recherche. Ist die romantische Liebe eine Legende? Muss man hart (an sich) arbeiten um geliebt zu werden? Ist  Sex eher mit Glück oder Angst verbunden?

Schmitt hat Menschen jeden Alters befragt und kombiniert in „Love Meetings oder Liebe in Zeiten des Kapitalismus“ die gesammelten Interviews mit Zitaten aus Pasolinis Film „Gastmahl der Liebe“.

Eröffnung: Do 6. Februar, 19-22 Uhr, Ausstellungsrundgang mit der Künstlerin: Fr 7. Februar, 17 Uhr. Galerie Wedding, Müllerstr. 146-147 (bis 28. März).

Fresh Blood

Beim Berlin programme for artist (BPA) unterstützen erfahrene Künstler jüngere Kollegen beim Berufseinstieg, unter anderem mit gegenseitigen Besuchen im Studio. Diese tolle Initiative wird neuerdings von den KW Institute for Contemporary Art unterstützt. Dazu gehört die Vortragsreihe BPA Talks in den KW, bei der die Teilnehmer in einstündigen Präsentationen ihre Kunst vorstellen.

Erster Termin: Mo 10. Februar, 13-20 Uhr, KW Institute for Contemporary Art, Auguststr. 69, Mitte.

Jobs in der Kunst

Die internationale Künstler*innenresidenz Akademie Schloss Solitude bei Stuttgart sucht für die Koordination und Organisation ihres 30-jährigen Jubiläums eine Projektkoordinator*in. Die Kandidat*in sollte von 1. März bis Ende 2020 Zeit haben. Bewerbungen gehen als pdf an Herrn Lom: k.lom@akademie-solitude.de

Interview: herman de vries

Wer sich traurig, wütend oder hilflos fühlt wegen Plastikmüll, CO2-Ausstoß und Untätigkeit der Politik, dem sei die Ausstellung des deutsch-niederländischen Land Art-Künstlers herman de vries im Georg Kolbe Museum empfohlen.

Nicht dass dort eine Lösung zu finden wäre, aber sie berichtet auf bestechend simple, poetische Art von der Schönheit und Eigenständigkeit der Natur.

herman de vries, 88 Jahre alt, plädiert in seiner Environmental Art schon sehr lange für eine bewusste, gleichberechtigte Beziehung zur Natur. Er sammelt systematisch Erden, Steine und Baumwurzeln, fotografierte das Gras vor seinen Füßen, analysierte alle Pflanzenarten auf einem willkürlichen Stück Rasen und ist jeden Tag im Wald, seit Jahrzehnten, oft nackt.

Ein echtes role model, in Zeiten von Ökokrise, Greta Thunberg und Fridays for Future. Wir haben ihn im Georg Kolbe Museum getroffen.

Herr de vries, wie sehen Sie aktuell die Situation von Mensch und Natur?

„Die Menschen haben wenig Verbindung zur Natur. Sie kennen die Tier- und Pflanzenwelt nicht mehr. Eine Umfrage, die bereits aus den 80er Jahren stammt, ergab, dass Menschen hierzulande die Namen von durchschnittlich sechs Pflanzenarten kennen. Sechs!

Was für ein riesiger kultureller Verlust. Man wohnt im Hochhaus, fährt mit der U-Bahn zur Arbeit und geht am Wochenende vielleicht in den Park … Das kann dramatisch werden.“

Der Künstler herman de vries im fränkischen Steigerwald. Der Wald ist sein Atelier.
Der Künstler herman de vries im fränkischen Steigerwald. Der Wald ist sein Atelier.

© Joana Schwender

Mit Ihrer Kunst arbeiten Sie gegen diese Ignoranz an. Frustriert es Sie, dass sich die Beziehung zwischen Menschen und Natur verschlechtert?

„Ich bin nicht frustriert, ich sehe nur, dass es wahr ist. Ich habe mich in meiner Arbeit oft gefragt, was die Definition von Kunst ist. Meine Antwort: Es ist ein Prozess von Bewusstsein oder Bewusstwerdung.

Was ich feststelle: Für die Entwicklung der Gesellschaft sind Randgruppen sehr wichtig. Dort finden die Veränderungen statt. Das gilt auch in der Kunst. Ich bin ganz froh, eine Randerscheinung zu sein.“

Viele Menschen haben Angst vor den Folgen des Klimawandels. Verstehen Sie das?

Ja. Ich habe vorigen Monat in der Nähe meines Heimatorts bei einer Fridays-for-Future-Demonstration gesprochen.

Was haben Sie gesagt?

Zum Beispiel, dass ich seit 50 Jahren kein Fleisch esse. Und dass mir aufgefallen ist, dass ich zu dieser Veranstaltung 50 Kilometer mit dem Auto gefahren bin... Wir brauchen Autos. Wir brauchen Heizungen in unseren Häusern. Wir wollen reisen. Selbst wenn wir alles reduzieren, wir stecken fest. Es ist nicht einfach, das zu ändern. Der Natur macht das nichts aus. Wenn der Mensch ausstirbt, lebt die Natur weiter.

Neues von Ai Weiwei

Ai Weiweis Äußerungen über die mangelnde Gastfreundschaft der Berliner und die Autoritätshörigkeit der Deutschen haben gesessen – vor allem Berliner und Deutsche fingen eifrig an zu überlegen: Sind wir wirklich so? Begleitet wurde die Schimpftirade des Künstlers von Vorwürfen gegen das Filmfestival Berlinale.

Einer seiner Filme sei dort aus Angst vor der chinesischen Regierung nicht gezeigt worden. Die Berlinale hat das zurückgewiesen. Dafür gibt es jetzt ALLES AUF EINMAL! 

Die "Wintervegetation" von herman de vries ist im Georg Kolbe Museum ausgestellt.
Die "Wintervegetation" von herman de vries ist im Georg Kolbe Museum ausgestellt.

© Bruno Schneyer, Zeil am Main

Im Babylon Mitte ist von 19. bis 24. Februar, parallel zur Berlinale, eine riesige Werkschau angekündigt.

Unter dem Titel „Censored: Ai Weiwei's films“ soll so ziemlich alles zu sehen sein, was der clevere Fuchs in den letzten Jahren auf Video und Film veröffentlicht hat, von „Human Flow“ bis „Bejing 2003“: 22 Dokumentationen, 17 soziale und politische Interventionen, zwölf Videoinstallationen sowie sechs Filme, die andere Regisseure über ihn gedreht haben.

Kino Babylon, Rosa-Luxemburg-Straße 30, Mitte, 19. bis 24. Februar.

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