zum Hauptinhalt

Kolbe-Museum: Kinetische Kunst: Bewegt euch!

Licht und Klang - die Kunst lässt sich treiben: Das Berliner Georg-Kolbe Museum wirft "Romantische Maschinen" an.

Einmal bewegt sich alles und gar nichts. Robert Bartas kinetische Skulptur „Timemachine“ besteht aus einem großen, sich waagerecht drehenden Rad und einer Miniaturlokomotive, die im Gegensinn auf den Schienen am Plattentellerrand entlangfährt. Das Resultat ist ein verflixter Stillstand: Sisyphus im Spielzeugland.

Neunzig Jahre kinetische Kunst, neun Werke von jungen Künstlern. Das funktioniert tatsächlich. Marc Wellmann– seit einem knappen Jahr Ausstellungsleiter im Georg-Kolbe-Museum – gelingt es mit einer Handvoll „Romantischer Maschinen“, sowohl Grundcharakteristika und Möglichkeiten der bewegten Skulptur herauszuarbeiten als auch Perspektiven aufzuzeigen, wohin das Kinetische die Kunst noch treiben könnte.

Ein Kreis schließt sich bei Zilvinas Kempinas. Der litauische Künstler pustet mithilfe eines Ventilators ein Videotape gegen die Wand. Beide Magnetband-Enden sind zur Endlosschleife gefügt, zum flattrigen „O“, das im Luftstrom zirkuliert, solange keiner den Lüfter ausknipst. Verwandt mit den kinetischen Konstruktionen eines Naum Gabo, der 1920 in Moskau zeigte, wie schwingende Drähte ein virtuelles Volumen beschreiben, zitiert Kempinas’ minimalistische Skulptur doch auch frühe Computertechnik, die mit wuchtigen Magnetbandspulen arbeitete. Den Bogen von der einfachen Bewegung zur „denkenden“ Maschine, von der Kinetik zur Kybernetik, schlägt auch der Medienwissenschaftler Peter Weibel in seinem Aufsatz zur Geschichte des Themenfeldes. Er ist nachzulesen im überhaupt empfehlenswerten Ausstellungskatalog.

Wellmanns Exponatauswahl greift nicht in die zwanziger Jahre zurück, sondern beginnt mit dem Video „Der Lauf der Dinge“, in dem Peter Fischli und David Weiss 1987 dem Dominoprinzip mit rollenden Reifen, kochenden Flüssigkeiten und umkippenden Holzlatten ein filmisches Denkmal setzten. Diese mittlerweile historische Erweiterung des Skulpturbegriffs hat alle Künstler der Ausstellung beeinflusst. Am stärksten gilt das für Michael Sailstorfer, der eine Betonmischmaschine zum popcornspuckenden Snack-Automaten umfunktioniert.

Wie Fischli & Weiss betont Ariel Schlesinger die Atelier-Herkunft seiner Arbeit „Die Angst des weißen Blattes“. Auf einem niedrigen Sockel aus Farbdosen und einer Spanplatte rotieren zwei Din-A-4-Blätter in zueinander gegenläufiger Richtung. Sie schmiegen sich Umdrehung für Umdrehung so aneinander, dass die jeweiligen Kanten sich senkrecht hochstützen. Ein Pas de deux mit engem Körperkontakt. Zu auf einer Theaterbühne herumstolzierenden Diven werden in Elmgreen & Dragsets Video „Drama Queen“ berühmte Skulpturen wie Alberto Giacomettis „Schreitender Mann“, Sol LeWitts „Four Cubes“ oder Jeff Koons’ „Rabbit“.

Thomas Baumann präsentiert eine silbrige Stoffhülle, in der elektrisch ein- und ausfahrende Antennen stecken. Je nachdem, wie gespannt oder geknüllt das Folienquadrat an der Wand sich gibt, erkennt der Betrachter „mimische“ Faltenwürfe und „gestische“ Umrisse. Als roboterhaftes Gegenüber, das mit dem Betrachter interagiert, erweist sich auch Johanna Smiateks Spiegel mit Vibrationsalarm. Wer herantritt, blickt in sein verwackeltes Ebenbild.

Die aufwendigste, fesselndste Arbeit hat Julius Popp im Kolbe-Neubau installiert: Aus runden Spiegelfacetten besteht seine Skulptur „bit.reflection“, mit der die Ausstellung das Internetzeitalter erreicht (und den wichtigen Kinetik-Aspekt Licht integriert). Die hundert schwenkbaren Spiegel sind an einen Computer angeschlossen, der im 20-Sekunden-Takt Begriffe aus dem Netz fischt, die statistisch gerade am häufigsten vorkommen. Mithilfe eines Scheinwerfers schreiben die Spiegel lichtpunktweise Wortbilder an die Wand. Eine hinreißende Erfindung!

Zur Startseite