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Ausstellung über Bildhauer im Exil: Verfolgt, verdrängt, vergessen

Das Kunsthaus Dahlem erinnert mit einer Ausstellung an das Schicksal emigrierter Bildhauer nach 1945. Sie ist ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung der Kunstgeschichte des Exils.

1945, der Krieg ist vorbei. In London, Istanbul, Kasan sitzen die aus Deutschland geflohenen Künstler. Sie könnten zurückkehren. Können sie es wirklich? Wollen sie es? Die Heimat ist fremd. Bleiben oder gehen: Wieder stellt sich für unzählige Emigranten die Frage, die Jahre zuvor mit der Machtergreifung und dem Terrorregime der Nazis schon einmal Brüche in ihre Biografien eingeschrieben hat.

„Er ruht auf seinem niederen Diwan wie im Elternhaus. Das steht in Safeth unter schwärmerischem Himmel. Fromm leben Jussuff Abbus Steingeschöpfe. Sorgfältig forschen muß man ihren Wert.“ Den Bildhauer, dem Else Lasker-Schüler diese Zeilen widmete, hat die Kunstgeschichtsschreibung vergessen. Im Kunsthaus Dahlem steht seine streng schöne „Büste eines schwarzen Mannes“ aus den 20er Jahren jetzt neben frühen Bronzefigürchen und einem fragilen Mädchenkopf aus Ton, schon im Exil geschaffen.

Exil ohne Wiederkehr

Auf die Wiederentdeckung Jussuff Abbos ist die Leiterin des Hauses, Dorothea Schöne, besonders stolz. Sie erzählt engagiert, wie der im Osmanischen Reich als Sohn jüdischer Eltern geborene Bildhauer einen fulminanten Karrierestart als schillernder Avantgardekünstler in Berlin hinlegte, mit Ausstellungen bei Cassirer und Flechtheim sowie innigen Kontakten zu Lasker-Schüler, in deren Prinz von Theben-Fantasien er wiederkehrt. Als Emigrant in London schlug Abbo sich mit Gelegenheitsjobs durch, hatte kaum Arbeitsmaterial, zerstörte verzweifelt viele Werke. Für eine Rückkehr ins Nachkriegsdeutschland fehlten ihm die Mittel, auch die Kraft. Exil ohne Wiederkehr: Für dieses Schicksal steht Jussuff Abbo.

50 stilistisch sehr unterschiedliche Arbeiten von 15 Künstlern versammelt die Ausstellung „Neue/Alte Heimat. R/emigration von Künstlerinnen und Künstlern nach 1945“. Sie sondiert unübersichtliches Terrain, auf das sie kaum mehr als Schlaglichter werfen kann. Wandtexte erzählen die Lebensgeschichten der Protagonisten. Die vielfach kleinen Werke aus Holz, Bronze, Terracotta oder Stein stellen dazu Landmarken in den Raum: Anknüpfungspunkte für eine größere Erzählung, die erst noch geschrieben werden muss. Die Kunstgeschichte des Exils und der gelungenen, verhinderten oder verzögerten Rückkehr rückt erst in jüngster Zeit in den Blick der Forschung.

Die DDR förderte die Rückkehr

Mit den privaten Plänen für ein Berliner Exilmuseum, das dem Kollwitz-Museum derzeit seinen angestammten Sitz in der Fasanenstraße streitig macht, hat Kuratorin Schöne nichts zu tun. Ihr Projekt begann, lange bevor die Exilmuseumspläne publik wurden. Mit einem Studententeam spürte sie bei Nachkommen und Nachlassverwaltern, in Archiven und Privatsammlungen den vergessenen Biografien und verschwundenen Werken nach.

Fallbeispiel Will Lammert. Sein expressionistischer Porträtkopf der Tänzerin Ruth Tobi von 1919 besticht durch kühne Form. Als Kommunist emigriert, durfte Lammert erst 1951 aus dem sowjetischen Kasan, wohin er verbannt worden war, in die DDR zurückkehren. Sein vielfiguriger Mahnmalentwurf für das ehemalige Frauenkonzentrationslager Ravensbrück ist ausgestellt. Doch Lammert eckte trotz Loyalität zum Regime stilistisch an. Auch der aus dem britischen Exil zurückgekehrte Theo Balden sah sich mit Formalismusvorwürfen konfrontiert. Seine dynamische Plastik „Stürzende“ lässt Henry-Moore-Anklänge erkennen, die den DDR-Kulturfunktionären suspekt waren. Wie Lammert und Balden gingen zahlreiche linksorientierte Remigranten in den Osten Deutschlands, um am sozialistischen Aufbau mitzuarbeiten. Hier waren sie willkommen. „Lasst euch sagen, dass Deutschland euer bedarf!“ proklamierte schon im November 1945 der Kulturbund. Gezielt wurde die Rückkehr politisch Verfolgter des NS-Regimes durch Initiativen der sowjetischen Besatzungszone und der DDR gefördert.

Es ist noch viel Forschung nötig

Der Westen unternahm keine Anstrengungen, um exilierte Künstler zur Rückkehr zu bewegen. Viele Emigranten jüdischer Herkunft lehnten ein Wiederkehr ins Land der Täter ab. Der Bildhauerin Emy Roeder gelang es, mithilfe eines privaten Netzwerks von Künstlerfreunden und Kritikern in der BRD wieder Fuß zu fassen und an ihre Erfolge der 20er Jahre anzuknüpfen. Ihre markanten Bronzeporträts von Erich Heckel und Schmidt-Rottluff aus den 50er Jahren dokumentieren dies. Dem emigrierten Rudolf Belling bot man nach 45 keine Professur an einer deutschen Kunsthochschule an. Er hatte sich im Istanbuler Exil mit konventionaler Denkmalplastik etabliert, wollte aber zurück. Erst 1966 traf er ein. Mit kristallin-abstrakten Entwürfen suchte er Anschluss an seine Vorkriegsarbeiten. Der Avantgardist Erich Buchholz wiederholte sogar verlorene frühere Werke, wie die Plexiglas-Assemblage „Gleichgewichtsmoment“. Er überstand die NS-Jahre in der „inneren Emigration“ als bäuerlicher Selbstversorger und Kiesgrubenbetreiber auf dem Land.

Die eine Generation jüngere Margarete Klopfleisch begann erst im Prager Exil, Kunst zu studieren. Sie war als Kommunistin 1933 aus Deutschland geflohen. Kantig-schroff schnitzte sie den „Häftling eines Konzentrationslagers“ 1944 aus rohem Holz. Zurück in ihrer Heimatstadt Dresden fand sie als Künstlerin aber kaum Beachtung. In Deutschland blieb sie unbekannt. Ihr Nachlass liegt, wie der Jussuff Abbos, in England. Um die ausgeblendete Kunstgeschichte von Exil und Remigration aufzuarbeiten, werden noch viele Forschungsreisen innerhalb und außerhalb Deutschlands nötig sein.

Kunsthaus Dahlem, Käuzchensteig 8, bis 17. Juni 2018, Mi bis Mo 11–17 Uhr. Katalog 15 €.

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