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Blick in die Ausstellung.

© picture alliance / Daniel Karmann/dpa

Ausstellung über Albert Speer: Der gute Nazi

Hitlers Rüstungsminister Albert Speer behauptete, nichts vom Holocaust gewusst zu haben. Eine Ausstellung zeigt, wie er mit Büchern voller Lügen reich wurde.

Speer mit Hitler, Speer in seiner Gefängniszelle während des Nürnberger Prozesses, Speer im Garten seiner Heidelberger Villa. Der Besucher der Ausstellung „Albert Speer in der Bundesrepublik. Vom Umgang mit deutscher Vergangenheit“ in der Topographie des Terrors wird von einer Installation empfangen, die auf fünf gigantischen Buchstaben besteht: „SPEER“.

Sie sind auf den Außenseiten mit überlebensgroßen Porträts des Architekten und Nazi-Rüstungsministers beklebt und kreisförmig angeordnet, so dass im Inneren ein Raum entsteht, in dem Filmszenen und O-Töne in einer Dauerschleife laufen.

Zu hören sind scheinbar selbstkritische Floskeln, zurechtgestutzte Erinnerungen und rhetorische Ablenkungsmanöver. „Es hätte mir nicht unbemerkt bleiben dürfen, wenn ich nicht gedankenlos in den Tag gelebt und mich in Baupläne geflüchtet hätte“, sagt Speer. Oder: „Ich fragte nicht Hitler und nicht Himmler, wollte nicht wissen, was in Auschwitz war.“ Oder: „Es war eine spezifische Eigenschaft dieser Zeit, nicht zu fragen.“ Speer spricht im plaudernden Tonfall, antwortet freundlich und souverän auf Fragen, die ohnehin nicht allzu kritisch formuliert sind.

Sklavenarbeiter in der Rüstungsindustrie

Allerdings hat das, was er sagt, so gut wie nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Der Mann, der behauptete, an den Verbrechen des Regimes nicht beteiligt gewesen zu sein und vom Holocaust nichts gewusst zu haben, hatte die Rüstungsindustrie bis zum Kriegsende mit Sklavenarbeitern aus Konzentrationslagern, Kriegsgefangenen und verschleppten Zivilisten aus den von Deutschland überfallenen Ländern am Laufen gehalten.

Der Raum, den die pfeilerartigen Großbuchstaben umschließen, symbolisiert das Lügengebäude, das Speer mit seinen kontrafaktischen Behauptungen errichtet hatte. Es wird von der Ausstellung eindrucksvoll dekonstruiert.

Zu sehen ist auch der Wochenschau-Ausschnitt, in dem Speer sich 1946 im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher für „nicht schuldig“ erklärte. Als einer von wenigen Angeklagten hatte er die Autorität des Gerichts anerkannt, er sprach fließend englisch und entsprach mit seinem bürgerlichen Habitus nicht dem Klischee eines Massenmörders. Speer zeigte sich reumütig, erfand einen Attentatsplan auf Hitler und inszenierte sich als guter Nazi.

Das hat ihm den Kopf gerettet. Während sein Untergebener Fritz Sauckel, der in seinem Auftrag den Einsatz von Zwangsarbeitern organisiert hatte, zum Tode verurteilt wurde, kam Speer mit einer zwanzigjährigen Haftstrafe davon.

Empfangen wie ein Popstar

Als Albert Speer 1966 aus dem Spandauer Kriegsverbrechergefängnis entlassen wird, wird er wie ein Popstar empfangen. Bei einer Pressekonferenz in einem Berliner Hotel drängen sich Journalisten aus aller Welt. Als einstiger Vertrauter Hitlers steigt er zum gefragten Zeitzeugen auf, der hunderte von Interviews gibt, oft gegen gute Bezahlung.

Selbst der „Playboy“ druckt ein Gespräch mit ihm. Speers „Erinnerungen“ (1969), an denen er schon in der Haft zu arbeiten begonnen hat, und seine „Spandauer Tagebücher“ (1975) werden internationale Bestseller, übersetzt in 14 Sprachen. Sie machen den Autor zum Millionär.

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In der Ausstellung türmen sich Speers Bücher – zuletzt brachte er  „Der Sklavenstaat. Meine Auseinandersetzung mit der SS“ (1981) heraus – auf einem Tisch in Dutzenden Ausgaben. Noch heute sollen sich davon 5000 Exemplare pro Jahr verkaufen.

Treibende Kraft bei der Veröffentlichung war der Verleger Wolf Jobst Siedler, der Speer mit dem Publizisten Joachim C. Fest zusammenbrachte. Fest fungierte als „vernehmender Lektor“, befragte Speer ausführlich und brachte dessen Manuskripte in eine sprachlich geschmeidige Form.

Mythos von der Ahnungslosigkeit

Fest hat auch selbst eine Speer-Biografie geschrieben, in der er ähnlich wie die Autoren  Gitta Sereny und Dan Van der Vat die Selbstdarstellung des Protagonisten kritiklos übernahm. Speer trat häufig in Dokumentarfilmen auf, seine Bücher dienten als Vorlage von Spielfilmen wie „The Bunker“ und „Inside The Third Reich“, die den Mythos vom ahnungslosen Technokraten weiter verbreiteten.

Speer behauptete, eigentlich immer ein Künstler geblieben zu sein, der sich nur in die Politik verirrt hatte. Mit der Verfolgung und Ermordung der Juden habe er nichts zu tun gehabt. Doch inzwischen sind zahlreiche Dokumente bekannt geworden, die das Gegenteil beweisen.

[Topographie des Terrors, bis 27. September. Täglich 10-20 Uhr, Eintritt frei. Der Katalog (Michael Imhof Verlag) kostet 9,80 €.]

Die Liste von Speers  Verbrechen ist lang. So starben ab 1937 tausende von KZ-Häftlingen in Steinbrüchen für Speers Nürnberger und Berliner Bauprojekte. Ab 1938 ließ er jüdische Mieter aus ihren Wohnungen für seine Germania-Pläne vertreiben. 1942 veranlasste er die Vergrößerung des Konzentrationslager Auschwitz, 1943 den Bau des KZs Mittelbau-Dora, in dem etwa 20 000 Sklavenarbeiter bei der Produktion der V2-Raketen umkamen.

Speer sei „einer der Hauptverbrecher im NS-System“ gewesen, bilanziert Heinrich Schwendemann, einer der Historiker, auf dessen Forschungen die Ausstellung aufbaut. Übernommen wurde sie vom Dokumentationszentrum des Nürnberger Reichsparteitagsgeländes.

Albert Speer gefiel sich in der Rolle des reuigen Büßers. „Ich habe das Gefühl, nach 20 Jahren Spandau frei zu sein von der Vergangenheit“, hat er 1966 in einem Interview mit dem „Spiegel“ erzählt. „Aber die Bürde, die mir die ungeheuren Verbrechen auferlegen, werde ich nicht los.“

Da sprach ein Täter, der sich zum Opfer machte. Für Millionen Durchschnittsdeutsche, die beteuerten, in der Nazi-Zeit nichtsahnend ihren Job gemacht zu haben, war Speer der ideale Entlastungszeuge.

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