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An mehreren Stationen kann man virtuell das Tote Meer erkunden, etwa ein römischen trockendock oder eine Synagoge.

© Dirk Hanus / smacAn mehreren Stellen kann man

Ausstellung "Leben am Toten Meer" in Chemnitz: Verheißung am Toten Meer

Salz und Asphalt waren wichtige Handelsgüter der frühen Siedler. Deren Geschichte beleuchtet das Staatliche Museum für Archäologie Chemnitz

Verlockend glitzert das Meer in der Sonne, der Blick fällt auf die Berge von Samaria am gegenüberliegenden Ufer. Mitten im See, aus dem das Wasser nicht abfließt, sondern verdunstet und sich das Salz deshalb konzentriert, verläuft die Grenze zwischen Jordanien und Israel. Das Tote Meer und seine Umgebung sind unwirtlich und doch von atemberaubender Schönheit. Die unterschiedlichen Blautöne des Wassers und des Himmels, das Ocker der steilen Berge, hier und da das Weiß des Salzes und das Grün der Dattelpalmen sind die bestimmenden Farben. Große Fotos geben den Rahmen für die Ausstellung „Leben am Toten Meer“ im smac [Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz, smac, bis 29.3.2020], dem Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz. „Archäologie im Heiligen Land“, lautet der diplomatische Untertitel.

Blick in die Ausstellung "Leben am Toten Meer" im smac in Chemnitz.
Blick in die Ausstellung "Leben am Toten Meer" im smac in Chemnitz.

© Dirk Hanus /smac

Das Tote Meer ist eigentlich ein See, der vom Jordan gespeist wird, das Wasser hat einen Salzgehalt von über 32 Prozent. Deswegen ist es so leicht, auf dem Wasser zu schweben. Es kann hier ziemlich heiß werden, und man mag nicht so recht glauben, dass diese Region vor 10 000 Jahren einmal ein Zentrum der zivilisatorischen Entwicklung war, wo für damalige Verhältnisse größere Siedlungen mit 500 Bewohnern wie Jericho entstanden. Hier bildeten sich Ackerbau und Viehzucht heraus, weil die Menschen ein raffiniertes Wassermanagement beherrschten zu einer Zeit, in der in Europa weit primitivere Verhältnisse herrschten.

Jordanien hat 1994 mit Israel Frieden geschlossen. Man arbeitet zusammen, aber wer sich der Nahtstelle zwischen den beiden Ländern nähert, den erinnern die Militärposten daran, dass es sich hier um eine ganz besondere Grenze handelt. Die politische Situation ist heute äußerst kompliziert, Jordanien, Israel und die palästinensischen Gebiete grenzen an das Tote Meer.

Premiere im smac in Chemnitz

„Wie wäre es, wenn wir der Archäologie dieses Kulturraumes eine Ausstellung widmen würden“, dachte sich Sabine Wolfram, Direktorin des smac. Das Museum hat es sich zur Aufgabe gemacht, auch die Archäologie entfernterer Regionen auszustellen. Nie zuvor wurde das „Leben am Toten Meer“ präsentiert. Die Premiere kann nun bis zum 29. März 2020 in Chemnitz bestaunt werden.

Die geplante Kooperation gestaltete sich schwieriger als gedacht. Das Israel Museum Jerusalem und die israelische Antikenverwaltung (Israel Antiquities Authority) sind die Hauptpartner, Palästina und Jordanien geben in dieser Konstellation für eine gemeinsame Ausstellung keine Werke heraus. Also sprangen das Ashmolean Museum Oxford, das British Museum und das Vorderasiatische Museum der Staatlichen Museen zu Berlin ein und stellten Leihgaben aus ihren Sammlungen zur Verfügung.

Modell eines Turms von Jericho.
Modell eines Turms von Jericho.

© Dirk Hanus /smac

Was bewog die Menschen einst, ans Tote Meer zu kommen oder mit den dortigen Bewohnern Handel zu treiben? In konzentrischen Halbkreisen, die sich um das Thema „Natur und Subsistenz“ reihen, werden jeweils chronologisch die Kapitel „Wellness“, „Mobilität“, „Höhlen, Dörfer, Städte“, „Macht und Ohnmacht“ sowie „Kult und Religion“ entwickelt. Jedes Thema hat eine eigene Farbe, ein eigenes Logo und einen Zeitstrahl auf dem Boden. Im Prolog zur Ausstellung, der der Erforschung des Toten Meeres gewidmet ist, gibt die älteste Abschrift von Plinius' „Naturalis Historiae“ Auskunft. Plinius nennt das Tote Meer „Asphaltsee“, erwähnt den zwei Ellen hohen Balsamstrauch von Tal Gilaed, eine kostbare Pflanze, die schon früh in Luxuskosmetika verwendet wurde, und die Dattelpalme, die sich vielseitig nutzen ließ. Archäologische Forschung im 19. und 20. Jahrhundert war in der Region um das Tote Meer vor allem biblisch motiviert.

Replik einer steinernen Maske aus dem Israel Museum in Jerusalem.
Replik einer steinernen Maske aus dem Israel Museum in Jerusalem.

© Israel Museum Jerusalem

In der Ausstellung ist dem französischen Dominikanermönch Roland de Vaux eine ausführliche Darstellung gewidmet. Er entdeckte zwischen 1951 und 1956 die berühmten Schriftrollen von Qumran und wollte unbedingt beweisen, dass Qumran der Ort der Sekte der Essener war, die bereits Plinius erwähnte. Doch die moderne Archäologie hat Argumente dafür gefunden, dass der Komplex von Qumran sich gut als landwirtschaftliches Zentrum in die Region einfügt. Eine Verbindung zu den Funden in den Höhlen ist nicht gegeben. Zudem hatte de Vaux nie einen Endbericht seiner Grabungsergebnisse vorgelegt und die Resultate nie dokumentiert. Die Debatte hält immer noch an. Die Erforschung von Jericho zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeigt, wie sehr Wunschdenken, abgeleitet aus der Bibel, die Forschung bestimmte.

Bei Erdbeben lösten sich die Asphaltbrocken

So eingestimmt, kann jeder in den konzentrischen Halbkreisen die Lebensverhältnisse am Toten Meer für sich entdecken. Beeindruckend ist etwa eine Simulation des Wasserstandes über Jahrtausende auf einer auf dem Boden liegenden interaktiven großen Reliefkarte. Um diese Karte im Zentrum der Ausstellung werden die kostbaren Rohstoffe der Frühzeit versammelt: Salz, Olivenkerne, Palmkerne, Granatapfelschalen und Asphalt. Letzterer war vor allem in Ägypten begehrt, da er bei der Mumifizierung eingesetzt werden konnte, aber auch beim Abdichten von Booten. Der Asphalt entstand im Toten Meer aus Sedimentgestein, das im Jordangraben durch die salzhaltigen Schichten nach oben wanderte und sich auf dem Boden des Sees ablagerte. Bei Erdbeben lösten sich die Asphaltbrocken und stiegen zur Oberfläche auf, wo sie als schwarze Inselchen auf dem See schwammen und von Booten aus abgefischt werden konnten.

Blick in die Abteilung Mobilität der Ausstellung "Leben am Toten Meer".
Blick in die Abteilung Mobilität der Ausstellung "Leben am Toten Meer".

© Dirk Hanus / smac

Ein Highlight der Ausstellung ist ein Zepter mit einem nubischen Steinbock aus der „Cave of Treasures“ (Schatzhöhle) von Nahal Mischmar, in der 429 Kupferobjekte gefunden wurden. Ein Teil dieser Schätze ist im Themenkomplex „Kult und Religion“ zu sehen, prächtige Gefäße und – besonders beeindruckend – ein dreieckiger Keulenkopf aus Bronze. Er ist mit 6000 Jahren das älteste bekannte dreieckige Artefakt.

Im Komplex „Kult und Religion“ fasziniert die Replik eines Schädels aus der Steinzeit aus Jericho. Er wurde schon im Kindesalter verformt – warum, weiß man nicht. Er ist mit Gips überzogen, Muscheln sind als Augen in die Augenhöhlen eingesetzt, ein Objekt, das vor 10 000 Jahren geschaffen wurde. Man fand Köpfe wie diesen in Gräbern unter Fußböden von Gebäuden. Beeindruckend sind in diesem Themenbereich die Fragmente von Texten aus der Höhle 4 von Qumran. In winziger Schrift wurden Zeilen aus dem 2. und 5. Buch Mose auf Pergamentstückchen geschrieben, die dann in einer Kapsel („Tefilin“) verschwanden, die Männer beim Gebet am Körper trugen.

Überhaupt die Höhlen. Sie gibt es rund um das Tote Meer in den unzugänglichen, fast senkrecht aufragenden Felswänden sehr zahlreich. Vermutlich bildeten sie die ersten Siedlungsplätze in dieser unwirtlichen Umgebung. Später boten sie immer wieder auch Schutz für Geflüchtete. In den Höhlen sind viele Textilreste gefunden worden, die wegen der trockenen Luft nicht verrottet sind. Dazu gehören etwa eine römische Tunika oder ein römisches Tuch. Diese Funde sind absolute Ausnahmen, denn organisches Material wird für gewöhnlich bei Grabungen nicht gefunden, da es längst zerfallen ist.

Was ebenfalls bei den Funden aus den Höhlen auffällt, sind die überproportional vielen Schminkutensilien, Gläser oder Gefäße aus Bronze, Kämme und Schalen aus Akazienholz. Sie legen nahe, dass die Geflüchteten großen Wert auf ihr Äußeres legten.

So hart das Klima war und so schwer sich die Landschaft nutzbar machen ließ: Das Salz im Toten Meer sorgte dafür, dass immer wieder Menschen hierhin kamen, die sich niederließen, um mit den Rohstoffen der Region Handel zu treiben. Davon zeugen zahlreiche Objekte im Themenbereich „Mobilität“. Muscheln vom Mittelmeer und vom Roten Meer, Fayencefläschchen und Alabasterkännchen aus Ägypten bezeugen weitreichende Handelsbeziehungen.

Ein Beweis für die Schifffahrt auf dem Toten Meer ist ein mächtiger, rechteckiger Steinklotz mit einem großen Loch, durch das einst ein Tau geführt wurde. Er diente als einfacher Anker. Acht Schiffshäuser sind heute rund um das Tote Meer sichtbar, da der Seespiegel konstant gesunken ist. Am besten erhalten sind die Grundmauern von Khirbet Mazin. Mit Hilfe der Virtual-Reality-Technik ist es gelungen, solch ein befestigtes Trockendock zu rekonstruieren.

Die Ausstellung bietet einen faszinierenden Überblick über eine Region, die viele nur aus der Bibel kennen. Aber die Bedeutung der zivilisatorischen Errungenschaften reicht weiter. Sie führt vor Augen, was möglich wäre, wenn der Konflikt in dieser Region endgültig gelöst würde und man sie gemeinsam erschließen könnte.

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