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Blick in die Ausstellung „Kunst kann“ im Haus am Lützowplatz mit einer Skulptur von Peter Senoner im Vordergrund.

© Haus am Lützowplatz

Ausstellung „Kunst kann“: Überraschung, Krise und Momente des Scheiterns

Eine Frage der Haltung: Das Haus am Lützowplatz lädt dazu ein, wie ein Künstler zu denken. Ein Avatar-Rundgang.

Kunstvermittlung gilt in Museen und im Ausstellungsbetrieb als wichtiges Zukunftsthema. Zahlreiche Stellen wurden in den vergangenen Jahren dafür ausgeschrieben. Es waren auch die ersten, die während der Pandemie wieder gestrichen wurden. Selbst das MoMA in New York ließ seine „Educators“ wissen, dass ihre Dienste Monate, vielleicht sogar Jahre, nicht mehr gebraucht werden.

Wenn Kultur gleichzeitig Bildung bedeuten soll, stellt sich aber die Frage, ob Kunstvermittler nicht gerade jetzt mehr denn je notwendig sind. Denn selbst in geschlossenen Kunstinstitutionen könnten Erwachsene und Kinder jede Menge lernen. Ohne Ressourcen geht das allerdings nicht.

Wie man einen guten Weg der digitalen Vermittlung findet, daran tastet sich das Berliner Haus am Lützowplatz gerade heran. Der Kunstverein lädt derzeit zu „Avatar-Rundgängen“ ein.

Die aktuelle Ausstellung „Kunst kann“ konnte bisher keinen einzigen Tag öffnen und wird es bis zum Ausstellungsende am 31. Januar auch nicht mehr schaffen. Dabei setzt gerade diese Schau, die von Liechtenstein, über Deutschland und Tirol nach Österreich tourt, in besonderer Weise auf Vermittlung und Bildung. Zwölf Kunstwerke und zwölf Lernstationen werden präsentiert. Es ist eine Mitmach-Ausstellung par Excellence.

Selber zeichnen und basteln

Die Idee ist, dass Besucherinnen sich anhand der präsentierten Malereien, Fotografien, Installationen und Filme mit den Arbeitsweisen und Denkprozessen von Künstlerinnen und Künstlern auseinandersetzen, indem sie selbst zeichnen und basteln. Ziel ist es, angeregt durch die Kunst, den persönlichen Handlungsspielraum zu erweitern.

Ein guter Gedanke. Denn hat man künstlerische Prinzipien und Haltungen wie Offenheit, Neugierde, Wahrnehmung, Spielfreude und Improvisation einmal so kennengelernt, könnte jede Kunstbetrachtung Impulse für das eigene Leben geben, egal ob man die Werke anfassen darf oder nicht.

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Beim Avatar-Rundgang sollen Besucherinnen gleichsam in den Körper des Führungspersonals schlüpfen, die ihnen ihre Augen und Hände leihen. Angekündigt ist, dass die Gäste selbst an den Lernstationen interagieren sollen. Mit Bleistift und Schreibblock nimmt man also am heimischen Computer Platz. Im Zoom-Kanal treffen sich eine Avatarin – sprich eine Mitarbeiterin des Hauses am Lützowplatz – und zwei Gäste. Manchmal sind es bis zu zehn.

Der Avatar leiht Augen und Hände

Die Avatarin hat ein Tablet mit Kamera bei sich, wandert von einem Kunstwerk zum nächsten, erklärt die Hintergründe. Von Ilona Kálnoky hängen zum Beispiel fünf „Sculpture Scetches“ an der Wand, Fotografien von kleinen, einfachen Skulpturen: eine Schaumstoffrolle, die in einem Plexiglasbehälter gequetscht wurde und die sich im Laufe der Zeit an den Rändern verfärbt hat. Oder Würste aus Ton, die übereinandergestapelt durch die Schwerkraft nach unten gedrückt worden sind.

An der zugehörigen „Lernstation“ stehen Materialien wie Metalldraht, Latex und Watte bereit. Wäre man vor Ort könnte man selbst Hand anlegen. Jetzt sagt man der Avatarin, was sie tun soll. Die so entstandene Skulptur wird anschließend fotografiert. Das kann man auch zuhause am Bildschirm machen.

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An der Station der Malerin Sun Min Kim soll man das Loslassen üben. Ein koreanischer Pinsel, Wasser und Übungspapier liegen bereit. Der Pinsel soll in lockerer Körperhaltung, frei atmend und ohne besondere Planung oder Intention übers Papier geführt werden. Sich vom Pinsel führen zu lassen, und nicht umgekehrt, gleicht einer buddhistischen Übung. Im Online-Rundgang führt die Avatarin das Malgerät. Selber ausprobieren kann man es dann höchstens alleine zuhause.

Gedichte zusammenpuzzeln

Bei anderen Stationen stehen die Improvisation mit einem Mini-Synthesizer, das Zusammenpuzzeln von Gedichten oder das Vertonen einer Videoszene auf dem Programm. Wenn mehrere Personen im Zoom-Call sind, können sich interessante Gespräche und Spielchen ergeben, vielleicht intensiver als man sie im realen Raum zulassen würde. Der Avatar braucht aber didaktisches Geschick, am besten sogar Entertainerqualitäten. Im digitalen Raum läuft die Vermittlung ebenso wenig von selbst wie im Museum.

In den 45 Minuten, die der Rundgang dauert, bleibt wenig Zeit für einzelne Werke. Wer es genauer wissen will, kann sich später zuhause Video-Interviews mit den Künstlerinnen und Künstlern anhören. Was viele über ihren Arbeitsprozess sagen: Sie setzen sich keine Ziele, handeln intuitiv, probieren aus, verwerfen, setzen neu an. Viel Lebensklugheit für unsichere Phasen wie die aktuelle.

[Bis 31. Januar, Termine: hal-berlin.de]

Das Haus am Lützowplatz hat seine digitalen Rundgänge quasi aus dem Stand mit eigenen Bordmitteln, nur mithilfe eines Tablets, Zoom und dem eigenen Aufsichtspersonal auf die Beine gestellt. Da liegt viel Potenzial.

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