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Ausstellung: Joseph Maria Olbrich: Der Beschwingte

Er dachte in Bildern, in Farben, mit Bleistift und Feder – es gilt, in Berlin den Künstler im Architekten zu entdecken. Die Kunstbibliothek Berlin erinnert an den Jugendstil-Baumeister Joseph Maria Olbrich.

Der kleinen Prinzessin Elisabeth hat Joseph Maria Olbrich 1902 ein Spielhaus gebaut, im Park des herzoglichen Schlosses Wolfsgarten in Hessen. Alles war auf die Bedürfnisse der Bewohnerin abgestimmt: niedrige Raumhöhe von 1,90 Metern, zwei Zimmer, Salon und Küche, Türgriffe in Form von Fischen, auf dem Dach ein Krönchen, der Schornstein in Form einer überdimensionierten Nähnadel, und auf dem blaugestrichenen Lattenzaun saßen 75 vergoldete Tauben. Das Haus ist heute noch erhalten, als letztes von Olbrichs Häusern in Originalzustand.

Elisabeths Vater, Fürst Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein, war Olbrichs großer Freund und Förderer der Künstlersiedlung Mathildenhöhe in Darmstadt. Als Dank hat der Architekt der Tochter seines Auftraggebers ein kindgerechtes Domizil geschaffen. Über der Eingangstür steht folgende Widmung: „Es war einmal, so fing das Märchen an / Doch aus den Kinderworten wurde That / Und dieses Häuschen ist nun immer mein / nur für mich selbst erbaut im Jahre 1900zweien.“ Doch die kleine Elisabeth spielte nur einen Sommer in dem Haus, 1903 starb sie auf einer Russlandreise an Typhus. Olbrich und die Erzieherin der Prinzessin Georgina Freiin von Rotsmann geben ein Bilderbuch heraus, ein Gedenkbuch: „Es war einmal.“

Wie ein Bilderbuch kommt auch die Ausstellung am Kulturforum daher, mit der die Berliner Kunstbibliothek das 100. Jubiläum des Erwerbs des Olbrich-Nachlasses begeht. Die großen Olbrich-Gedenkausstellungen gab es vor einem Jahr, im 100. Todesjahr, in Darmstadt und Wien. In Berlin ist nun ein farbenfroh-heiterer Abgesang zu erleben. Denn auch für Olbrich gilt: zu jung, zu früh. 1910 stirbt er, gerade 40-jährig, in Düsseldorf an Leukämie. Nur wenige Wochen zuvor war seine Tochter Mathilde geboren worden.

Dass man den Nachlass des Jugendstil-Architekten, der mit dem Sezessionsgebäude in Wien berühmt wurde und sich mit der Künstlersiedlung Mathildenhöhe in Darmstadt sein Denkmal gesetzt hat, ausgerechnet in Berlin findet, ist nicht selbstverständlich. Olbrich selbst hatte zu Lebzeiten einen Wechsel nach Berlin abgelehnt: „Ich denke nicht daran, in Preußen oder sonst wo ein Staatsamt anzunehmen“, beschied er eine entsprechende Einladung. „Ich, der niemanden über sich haben kann, muss frei schaffen. Ich bleibe in Darmstadt.“ Engagierte Kunst- und Architekturfreunde, darunter Max Liebermann, Wilhelm von Bode und Julius Stern, hatten sich nach Olbrichs Tod um den Nachlass bemüht, 1912 wurde er im Kunstgewerbemuseum, dem heutigen Martin-Gropius-Bau, präsentiert. Nach kriegsbedingter Auslagerung im Pergamonmuseum war er nach 1945 zunächst einige Jahre verschollen, bis die Kisten auf eine Anfrage des Züricher Kunsthauses 1952 in der britischen Kunstsammlungsstelle in Schloss Celle wiedergefunden wurden. Nur eine Kiste scheint verschollen. 2500 Blatt umfasst die Olbrich-Sammlung der Kunstbibliothek heute.

200 davon sind nun im Kulturforum zu sehen. Olbrich dachte in Bildern, in Farben, mit Bleistift und Feder – es gilt, in Berlin den Künstler im Architekten zu entdecken. Zu Beginn, während der Studienzeit und den ersten Reisen nach Rom, zeigen die Skizzenblätter noch sorgfältige Veduten, prunkvoll historistische Bauten mit Canaletto-blauem Wölkchenhimmel darüber. Ein Entwurf für ein Kaffeehaus in Olbrichs Heimatstadt Troppau bringt 1898 mit seinen bauchigen Schaufenstern erstmals den Jugendstil zum Schwingen: Er wolle die „alten Gerümpelmotive“ nicht mehr, belehrt der Architekt den Bauherrn. Den Auftrag hat er nicht bekommen. Im gleichen Jahr, in der Entwurfsphase des Sezessionsgebäudes, emanzipiert er sich künstlerisch, tuscht heftige, verlaufende Farbflecken in den Himmel und an die Wände. Erst in den Darmstädter Entwürfen beruhigt sich der Rausch wieder, weicht geordneteren Volumen und Strukturen. Es gibt die Mathildenhöhe im Frühsonnenschein, oder mit nachtblau dunkelndem Himmel darüber.

Doch Olbrich spielt auch mit der modernen Form, präsentiert einen Entwurf der neuen Franzensbrücke in Wien als Fotografie-Fake und fügt beim Entwurf für einen Hamburger Wasserturm die Perspektive in eine großformatige überarbeitete Fotografie ein. Und immer malt er Staffagefiguren in seine Bilder, eine junge Frau, die in mittelalterlich anmutenden, fließenden Gewändern im klosterhofartigen Atrium des temporären Ausstellungsbaus „Frauenrosenhof“ in Köln lehnt, ein Mann auf Krücken vor einem Theater oder ein beschwingtes, fast comichaft erfasstes Paar vor dem Sezessionsgebäude.

Von Olbrichs Interieurs indes, so leuchtend bunt wie wohnlich-behaglich er sie ausmalt, hat sich wenig erhalten, viele Bauten sind kriegszerstört oder stark verändert. Das gilt auch für Olbrichs eigenes Haus auf der Mathildenhöhe: „Hauseingang in meine Welt“ steht auf dem Blatt mit der Eingangssituation. Eine schönere Einladung lässt sich kaum denken.

Kunstbibliothek, Kulturforum, bis 13. Juni, Di bis So 10 bis 18, Do bis 22 Uhr.

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