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Lichtinstallation aus der Ausstellung „Bulb Fiction“.

© Michael Vorfeld

Ausstellung in der Zitadelle Spandau: Dank Glühbirne von Angst befreit

Sie wurde als Mittel der Aufklärung bezeichnet und Menschen haben sie gefürchtet: Die Ausstellung „Bulb Fiction“ findet spannende Zugänge zur Glühbirne.

Von Jonas Bickelmann

Jetzt ist es schon knapp zehn Jahre her, dass die Glühlampe verboten wurde. Und wie groß damals die Sorgen waren, dass die Wärme des Leuchtfadenlichts aus den Zimmern verbannt würde, um durch das kalte Glühen von Leuchtdioden und Neonröhren ersetzt zu werden. Die Glühbirne, dieses industrielle Massenprodukt, erschien auf einmal als Relikt einer menschlicheren, gemütlicheren Vergangenheit.

Diese paradoxe Nostalgie ist in der Geschichte des Kapitalismus nichts Neues. Technische Entwicklungen lösen zuerst Ängste aus. Wenn die Innovationen dann eines Tages wiederum überholt sind, werden sie auf einmal romantisiert. Es ist allerdings keine Romantik des vorindustriellen Zeitalters, sondern eine des frühindustriellen. Man denke etwa an die Zauberwelt von Harry Potter, in der es Dampfloks und alte Opels gibt, aber keine Smartphones. Glühbirnen übrigens auch nicht.

Dabei löst die Birne mittlerweile fast dieselben wehmütigen Gefühle wie die Dampfeisenbahn aus. Die Ausstellung „Bulb Fiction“ im Zeughaus der Zitadelle Spandau kontrastiert die Nostalgie gegenüber dem Leuchtmittel mit den Ängsten, die es zunächst auslöste. Denn freilich war die elektrische Birne vor gut 140 Jahren etwas ganz Neues und verdrängte das Gaslicht aus dem Straßenbild. Ein ausgestellter Zeitungsartikel von damals beschreibt die Furcht vor kreidigen Gesichtern oder unnötigem Lichtbedürfnis.

Spandau wichtiger Standort der Glühlampenproduktion

Aber die neue Helligkeit weckte auch Hoffnungen, wie eine weitere Quelle zeigt: Der Philosoph Ernst Bloch schrieb 1935 in einem Aufsatz, dass die Glühbirne mehr gegen den Geisterglauben erreicht habe als die aufklärerischen Schriften Voltaires, „denn sie hat das Grauen aus den Schlupfwinkeln der äußeren Dunkelheit selbst vertrieben und nicht nur aus der des Kopfs“.

Bunte Lichtampel.
Bunte Lichtampel.

© Michael Vorfeld

Das elektrische Licht verspricht eben nicht nur, dass man nachts nicht über die Katze stolpert, sondern auch die Befreiung von Angst und Ungewissheit. Die Geschichte der Industrialisierung ist eng mit diesem Versprechen verknüpft. Aspirin befreite die Menschen von Kopfschmerzen und elektrisches Licht von Albträumen.

Spandau war damals ein wichtiger Standort der Glühlampenproduktion. Der europäische Marktführer Osram betreibt hier bis heute ein Werk. Noch immer werden dort Leuchtmittel produziert, aber in viel geringerem Ausmaß. Osram wurde kürzlich vom österreichischen Unternehmen AMS übernommen, die Beschäftigten bangen nun um ihre Jobs.

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Demokratische Bedeutung

Der Berliner Künstler Michael Vorfeld verarbeitet das Massenprodukt Glühlampe seit den 80er Jahren künstlerisch. In der Zitadelle sind neben den Dokumenten der Industriegeschichte seine Installationen und Bilder zu sehen. Vorfeld lässt etwa zwei Glühbirnen in „Dialog“ treten, abwechselnd flackern sie einander Morsecode-ähnliche Botschaften zu.

Andere Arbeiten leben vor allem von der tröstlichen Anziehungskraft des Lichts; bis heute die gleiche wie vor Jahrtausenden an einer Feuerstelle. Vorfeld arrangiert bunte, leuchtende Plastikblumen oder die klassischen Glühlampen zu an Pflanzen erinnernden Gebilden. Besonders jetzt, in der dunklen Zeit des Jahres, entfalten sie Wirkung. Eine Wirkung, die sich Mächtige oft zunutze gemacht haben: Strahlendes Licht auch in der Dunkelheit hervorbringen zu können, war lange ein wichtiges Imponier-Werkzeug.

Kirchenarchitektur zum Beispiel ist auf maximale Lichteffekte ausgelegt. In buntem Glas gebrochenes Licht hatte im Mittelalter sonst niemand zu bieten. Die Nazis wussten ebenfalls, wie sie Massen mit Lichtdomen verführen konnten. Daher hatte es auch eine demokratische Bedeutung, als das Licht für die Arbeiterklasse bezahlbar wurde. Licht, so zeigt es Vorfelds Glühbirnen-Kunst, kann eben beides: erhellen und blenden.

Zeughaus in der Zitadelle Spandau. Bis 29. März. Täglich von 10 bis 17 Uhr, an Donnerstagen 13 bis 20 Uhr.

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