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Europäer in Nigeria. Thomas Onajeje Odulates „Paar beim Spaziergang“.

© J. Fine

Ausstellung im HKW: Wie die Kolonialisierten die weißen Machthaber sahen

Satire gehört zur neuen Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt dazu. „Spektral-Weiß" zeigt die Kolonialzeit aus der Perspektive der Kolonialisierten.

Lachen ist erlaubt, trotz des ernsten Themas, denn Satire gehört zu der neuen Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt dazu. „Spektral-Weiß“ zeigt eine Auswahl aus der Sammlung von Julius Lips (1895-1950): künstlerische Objekte, die der Kölner Ethnologe vor seiner Emigration erwarb. Sie stammen vor allem aus dem heutigen Benin, Kongo, Mosambik, Ghana und Nigeria.

In der Schau geht also um Kunstwerke aus der Kolonialzeit, zuallererst jedoch um das, was die ausgestellten Zeichnungen und Figuren zeigen: Soldaten, Beamten und Händler aus Europa, aus der Perspektive der Kolonialisierten. Da gibt es durchaus grotesk-komische Darstellungen wie Thomas Onajeje Odulates hölzernes Paar in europäischer Kleidung: mit Knollennasen und Hängelidern unter den Tropenhelmen, an der Leine ein krummer Hund, der einer Schildkröte ähnelt.

Im Mittelpunkt aber steht das Buch „The Savage Hits Back or the White Man through Native Eyes“, mit dem Julius Lips zeigen wollte, wie die Kolonialisierten die weißen Machthaber sahen. In den USA 1937 veröffentlicht, wurde es in Deutschland rasch verboten, in Großbritannien dagegen gern gelesen.

Lips’ Buch ist geprägt von einer antifaschistischen Haltung: Im europäischen Faschismus und speziell Nationalsozialismus sah er die Rückkehr der kolonialen Gewalt auf den Kontinent der Urheber.

Aussagen von Zeitgenossen schlagen einen weiteren Bogen

„Spektral-Weiß: Die Erscheinung kolonialzeitlicher Europäer*innen“, so der komplette Titel der Schau, kontrastiert Lips’ Sicht mit Aussagen von Zeitgenossen von Hannah Arendt bis Frantz Fanon. Damit schlägt die Ausstellung einen weiteren Bogen als auf ihrer ersten Station 2018 im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum, an dem Lips bis 1933 als Direktor wirkte.

Etliche Exponate stammen aus dem dortigen Depot, weitere sind anderen Museen und Privatsammlungen entliehen. Gemeinsam ist den meisten Objekten eine lückenhafte Provenienz und ihr ungeklärter Zweck – ob sie als Souvenirs oder Auftragskunst gefertigt wurden oder ganz anderen Zwecken dienten.

[Haus der Kulturen der Welt: „Spektral-Weiß: Die Erscheinung kolonialzeitlicher Europäer*innen“ bis 6. Januar, Mi bis Mo 12 – 19, Do bis 22 Uhr]

Doch bei zwei namentlich bekannten Künstlern, dem australischen Zeichner Tommy McRae (circa 1835-1901) und dem Holzschnitzer Thomas Onajeje Odulate (circa 1880-1952) aus Nigeria, lassen sich Schaffen und Verwendung der Arbeiten genauer bestimmen. McRaes und Odulates Leben und Werk sind eigene Flächen und Vitrinen gewidmet.

Überraschende Verbindungen eröffnen sich

Die Kuratoren, Anna Bruns von der Universität Köln und Anselm Franke vom Haus der Kulturen, haben das komplexe Thema ansprechend aufbereitet, auch dank der Gestaltung durch die Firma Museeon. Schräg über den Vitrinen hängen Masken in schwarzen Netzen, die schwarzen Wandflächen sind Texten, historischen Dokumenten und Fotos sowie einem Videointerview mit dem letzten lebenden Sohn Odulates vorbehalten.

Immer wieder eröffnen sich überraschende Verbindungen. Dazu trägt auch Lips’ „The Savage Hits Back“ auf dem Lektüretisch im Foyer bei.

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Zudem passt „Spektral-Weiß“ bestens zu den beiden anderen Ausstellungen im Haus: „Liebe und Ethnografie“ thematisiert den Blick des Schriftstellers Hubert Fichte auf Amerika, Afrika und Portugal, „Afro-Sonic Mapping“ veranschaulicht die Recherchen des Künstlers und Musikers Satch Hoyt zu Wanderungsbewegungen von Klängen in der afrikanischen Diaspora.

Dennoch ist „Spektral-Weiß“ nur die eine Sicht der Dinge. Hier analysieren europäische Museumsfachleute, wie ein europäischer Ethnologe Kunstgegenstände aus Kolonien deutete. Jetzt wäre interessant zu erfahren, was Experten aus den ehemals kolonialisierten Regionen zu beiden Analysen sagen.

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