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Zwei Welten. „Picasso’s Guernica in the Style of Jackson Pollock“ der Künstlergruppe Art & Language entstand 1980.

© HKW/Dirk Pauwels

Ausstellung im HKW: Die Kunstmäzene von der CIA

Kunst im Kalten Krieg: Die Ausstellung "Parapolitik" im Haus der Kulturen der Welt untersucht den Einfluss der CIA als Kultursponsor.

Die Magazine sind toxisch, doch das sieht man ihnen nicht an. In den schlichten Regalen im Haus der Kulturen der Welt (HKW) strahlen „Der Monat“, „Tempo Presente“ oder „Cuadernos“ stattdessen farblich und typografisch um die Wette. Es sind Zeugnisse einer intellektuellen Ära, die sich bis Mitte der sechziger Jahre über Europa bis tief in die ehemals kolonialen Regionen Afrikas erstreckte. Schaltstelle war der 1950 in Berlin gegründete „Kongress für Kulturelle Freiheit“ (CCF), von hier aus vernetzten sich die Mitglieder über ein permanentes Büro in Paris in über dreißig Länder. Zeitschriften, Festivals, Symposien, Stipendien, Ausstellungen: Alles war möglich, die Finanzierung kein Problem. Weshalb die Gelder damals reichlich flossen, wollte offenbar so keiner richtig wissen. Dabei hätten die liberalen wie gemäßigt linken Kräfte jener Kulturorganisation bloß ihren Sekretär fragen müssen: Michael Josselson wusste immer, dass der amerikanische Geheimdienst als größter Sponsor des CCF fungierte. Er war ja selbst Agent.

Die CIA als Kunstförderer, als indirekter Sponsor im Kalten Krieg, als Mäzen von Autoren, Komponisten und Malern wie Jackson Pollock, Mark Rothko oder Barnett Newman: Das klingt bizarr, ist aber bekannt, seit Recherchen der „Saturday Evening Post“ 1967 die verdeckte Finanzierung über Scheinstiftungen öffentlich machten und für einen Skandal sorgten. Der Kongress löste sich unverzüglich auf, die betroffenen Intellektuellen sahen sich benutzt und für politische Zwecke missbraucht. Was sie nicht ungeschehen machen konnten – und wohl auch nicht gewollt hätten –, waren jene siebzehn Jahre, in denen sich die universelle Sprache der Moderne als Antwort auf Nationalsozialismus und Kommunismus international positionierte.

Ein Faktum mit Folgen. Sichtbar wird dies in der bildenden Kunst vor allem mit dem Siegeszug des abstrakten Expressionismus: Amerikas Antwort auf die totalitären Systeme der Vergangenheit und Gegenwart. Die Maler, die keinesfalls willfährige Komparsen einer politisch motivierten Kampagne waren, hätten zwar auch ohne Geld der CIA mit Farbfeldern und action paintings experimentiert. Aber wären sie ebenso erfolgreich gewesen, wenn ihre Werke nicht als politisches Instrument gegen den sozialistischen Realismus gedient hätten? Die künstlerische Freisetzung des Individuums, das sich allein seiner inneren Stimme verpflichtet sieht, passte perfekt zum Auftrag der Agenten: Sie sollten die Vorzüge einer freien Gesellschaft propagieren.

Was macht man mit diesem Wissen?

Was macht man mit diesem Wissen? In einer Zeit, die den Kanon und die Geschichte der westlichen Moderne kritisch hinterfragt, um ihm andere Narrative an die Seite zu stellen? Wäre es nicht wichtig, diese ganze Wahrheit noch einmal zu reflektieren? Sie einzubauen in die Erzählung vom Wesen der Kunst nach 1945? Die Welt hat schließlich nicht auf Pollock oder Newman gewartet, sondern wurde ein Stück weit in die Richtung gedrängt. Und auch wenn diese Form von kultureller Erziehung nicht die schlechteste war, weil sie den Rezipienten zur Auseinandersetzung zwingt, statt ihm fertige Menschenbilder vorzusetzen, stellt sich doch die Frage der Indoktrination.

Anselm Franke, Leiter für den Bereich Kunst und Film im HKW, hat sich für eine Ausstellung entschieden, die das Vergangene so zum Thema macht, wie man es von der Institution kennt. „Parapolitik: Kulturelle Freiheit und Kalter Krieg“ versammelt in erster Linie Dokumente zum Thema, gibt aber keine Lesart vor. Man muss selbst schauen und studieren. Sich ein Bild machen, eine Meinung bilden. Sonst würde sich das Haus ebenso unversehens im Pädagogischen bewegen wie das Objekt seiner Betrachtung.

Das Ausstellungsprojekt hinterfragt lieber etwas kompliziert, „ob der Kanon der westlichen Moderne rückwirkend ‚globalisiert‘ werden kann, ohne dass die ideologischen Strukturen und institutionellen Narrative problematisiert werden, die diesen untermauerten und exportierten“. Es geht, sagt Franke, um die „Vergegenwärtigung“ von Tatsachen, die schnell vergessen oder verdrängt wurden. Man muss nur überlegen, in welchem Begleittext im Museum zuletzt, wenn überhaupt, das Thema vorgekommen ist, um zu verstehen, weshalb Franke es zusammen mit mehreren anderen Kuratoren aufgegriffen hat. Ein echtes Paradox, weil sich das hegemoniale Streben der USA mit dem Kostüm der Freiheit getarnt hat.

In der Mitte klafft ein Loch

Ein Kostüm, das die Ausstellung jedoch nicht so richtig auszuziehen vermag. Sie geht vorsichtig vor, allein schon, um jeden Fallstrick zu vermeiden. Ihre zweite Hälfte, der große Ausstellungssaal, ist für die Kunst reserviert – und weil „Parapolitik“ sie keinesfalls ein zweites Mal instrumentalisieren will, verzichtet sie auf jene Exponate, um die es hier geht.

Stattdessen treten Künstler an, die sich wie der Amerikaner Philip Guston von der Abstraktion lösten, und solche einer Generation, die die Entwicklungen der Moderne bereits kritisch reflektieren. Zu ihnen gehört, neben Liam Gillick, Alice Creischer oder Peter Friedl, die Künstlergruppe Art & Language, deren Arbeit „Picassos ‚Guernica’ im Stil von Jackson Pollock“ (1980) beide Ideologien untrennbar miteinander verbindet, denn Pablo Picasso war ab 1944 Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs. Auch Sigmar Polkes spöttisches Gemälde „Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen!» bekommt in der Ausstellung einen ganz neuen Sinn.

Am Ende aber fehlt jenes Scharnier, das Kunstwerke und Archivmaterialien miteinander verbindet. Genau in der Mitte klafft ein Loch, in das die vielen Fragen drängen, die diese Schau aufwirft: Schmälert es den Inhalt der intellektuellen Magazine, wenn man ihre Sponsoren kennt? Und hat nicht ausgerechnet der in der Schau vertretene Philip Guston gegen die Farbfeldmalerei gewettert, weil sie ihm zu dekorativ erschien? Ließ sie sich deshalb so einfach zweckentfremden? Die Antwort verschwindet in Rot, Gelb und Blau.

„Parapolitik“, HKW, John-F. Dulles-Allee 10, Mi–Mo 11–19 Uhr, bis 8.1.2018

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