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Bestandsaufnahme der alten Heimat. Sven Gatter hat mit "Goitzsche" dem Ort bei Bitterfeld ein Denkmal gesetzt. Sehen Sie auf den folgenden Tafeln mehr von seinen und weitere Werke der Sammelausstellung.

© Sven Gatter

Ausstellung "Der dritte Blick": Der Bruch gehört zur Biografie

Geboren in einem Land, das es plötzlich nicht mehr gab. Die Ausstellung "Der dritte Blick" im Willy-Brandt-Haus zeigt Arbeiten von neun Künstlern der Wende-Generation Ost.

Als die Mauer fiel, der Einheitsvertrag unterschrieben wurde, waren sie noch Kinder. Schule, Freunde, Mist bauen, träumen – die große Politik war nur das Hintergrundrauschen. Und doch hat die Wende kaum eine Generation so geprägt wie die um 1980 in der DDR Geborenen. Während sie aufwachsen, wird die Welt auf den Kopf gestellt. Der Bruch gehört zu ihren Biografien. All die bunten Sachen! Aber genau so: Mitschüler, Lehrer, die wegziehen, arbeitslose Eltern. Diese Erfahrung hat auch Sven Gatter gemacht. Von ihm stammt die Idee zur Ausstellung "Der dritte Blick" im Willy-Brandt-Haus mit Fotoarbeiten von neun Künstlern, die ihre Kindheit im Sozialismus verlebten (bis 7. 11.). Gatter ist Fotograf und Mitglied im Verein Perspektive hoch drei, einem Forum dieser Umbruchsgeneration.

Im Filmporträt von Dörte Grimm und Nadja Smith erzählt Gatter vom Jobverlust seiner Mutter, der politischen Unsicherheit der Eltern. „Das Gefühl der Entwertung hat sich ein Stück weit auf mich übertragen.“ Seine Bilderserie „Goitzsche“ ist eine Bestandsaufnahme der alten Heimat rund um den Industriestandort Bitterfeld. Auf städtischen „Ruinenporno“ habe er aber keine Lust gehabt, sagt er. Stattdessen zeigt er Natur, die den ehemaligen Tagebau zurückerobert hat, Menschen im Erholungsgebiet, am See, im Wald. „Ich habe ein ambivalentes Verhältnis zu meiner Heimat. Ich genieße es, wenn ich hier bin, aber ich könnte hier auch nicht mehr leben. Ich hätte keine Perspektive“, sagt Gatter, der mittlerweile in Potsdam wohnt. Melancholie ist das vorherrschende Gefühl, das er mit seiner Herkunft verbindet, tief melancholisch sind auch seine Bilder.

Ein Bruch, der beeindruckt

Fast archivarisch erscheint dagegen die Position, die Andreas Mühe mit seiner Serie „Wandlitz“ einnimmt. Mühe ist in Chemnitz geboren, als es noch Karl-Marx-Stadt hieß – auf dieses Detail legt er Wert. Das Sujet Macht kennzeichnet sein bisheriges Werk, darin bildet auch die Beschäftigung mit dem Herkunftsland keine Ausnahme. Einmal hat er etwa den ehemaligen Staatsratsvorsitzenden Egon Krenz bei der Gartenarbeit abgelichtet. Die kleinformatigen „Wandlitz“-Motive zeigen einzelne Häuser der „Bonzensiedlung“, piefige Fassaden, dramatisch ausgeleuchtet. Heute wirkt dieser Ort harmlos, an dem sich ein Regime von seinem Volk abkapselte – nur einer der zahlreichen Brüche, die man in dieser Ausstellung entdecken kann.

Eine Etage darüber bietet sich wiederum im Willy-Brandt-Haus eine andere Perspektive auf die DDR, eine Innenansicht aus der Zeit zwischen 1964 und 1990, quasi ein Prolog zur Ausstellung der Umbruchsgeneration. „Barbara Köppe – Das (de)konstruierte Glück” zeigt den Weg der Fotografin (bis 15. 11.). Dazu gehören auch ihre frühen Fotoreportagen, Auftragsarbeiten für DDR-Magazine, von denen sie schließlich absieht. Viel stärker ist ihr großer Zyklus „Frauen – Schönheit – Schicht”, der den Alltag der Arbeiterinnen im VEB Kosmetik-Kombinat kurz vor dem Mauerfall zeigt – ungeschminkt und ungeschönt. Ein Bruch, der beeindruckt.

Willy-Brandt-Haus, Wilhelmstr. 140, bis 7. 11. /15. 11.; Di bis So 12 – 18 Uhr.

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