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Ausstellung: Bilder von A.R. Penck in Köln zu sehen

Zurück in die Achtziger: Das Museum Ludwig in Köln entdeckt den Maler A. R. Penck neu und zeigt großformatige Gemälde, skurrile Filzskulpturen und vieles mehr.

Moderne Höhlenmalerei, Graffiti, Strichmännchen – das verbindet man mit A. R. Penck. Wie kein anderer Gegenwartskünstler fasst er deutsche Geschichte in Bilder: mit Strichen, Punkten, Buchstaben und Figuren, die er auf der Leinwand verteilt. Neben Georg Baselitz, Gerhard Richter, Sigmar Polke und Jörg Immendorf gilt der Maler, der mit bürgerlichem Namen Ralf Winkler heißt und sich in Zeiten des Kalten Krieges in der DDR nach dem Eiszeitforscher Albrecht Penck benannte, als einer der Helden der deutschen Malerei. Die Werke des heute 71-Jährigen wirken noch immer frisch. Doch der Provokateur von einst macht sich rar. Zu seiner Kunst will er nichts mehr sagen. Oder doch?

Derzeit sind einige seiner Werke im Museum Ludwig in Köln zu sehen, dort, wo ihn der Sammler Peter Ludwig mit Begeisterung als seine Entdeckung präsentierte. Die Schau mit großformatigen Gemälden und skurrilen Filzskulpturen aus den Achtzigern und Neunzigern trägt den Titel „Vergangenheit–Gegenwart–Zukunft“. Steckt also in den Bildern aus den Achtzigern bereits die Zukunft? Ist deshalb schon alles gesagt?

Das Hauptwerk „Ich in Deutschland (West)“ misst sagenhafte sechs mal zwölf Meter und ist neben „Quo Vadis Germania“ eines der monumentalen „Weltbilder“, die Penck 1984 malte, einige Jahre nach seiner Umsiedlung in den Westen. Auf der Leinwand tummeln sich Männer mit Waffen, Frauen, Paare zwischen Liebe und Tod, ein Priester, ein Löwe und eine Horde Strichfiguren, die auf ein Tor zuzuströmen scheint. Die Leinwand ist so riesig, dass sie kaum gezeigt werden kann, vor 15 Jahren zum letzten Mal. Damals dürfte der Betrachter in den archetypischen Szenen sich selbst im kapitalistischen Kreislauf aus Produktion, Konsum, Reproduktion und Tod erkannt haben. Mit den Augen von 2010 sieht man in dem Bild einen sinnlosen Afghanistankrieg, einen Popen, dessen Kirche von Missbrauchsskandalen geschüttelt ist und einen Börsenlöwen, der die eigenen Kinder frisst. Das Gefühl bleibt gleich: Das System ist aufgestört.

Zum Ausstellungsaufbau kam Penck eigens aus Dublin angereist, wo er seit Jahren lebt. Er ließ das riesige Weltbild mit einer Viererreihe von „Standart“-Gemälden von 1995 rahmen. Die expressiven Schwarz-Weiß-Bilder springen vor Kraft fast von der Wand. Sie zeigen Strichfiguren mit erhobenen Händen, umgeben von Kreisen, Zs, Bögen und allerhand Zeichen. Pencks Bildsysteme, die er ab 1970 auch „Standart“ nennt, weil er wie mit seinem Baukastensystem Architekturen und Geschichten baut, sollen für jeden Betrachter verständlich sein – egal, ob im Osten oder Westen sozialisiert, egal ob kunstverständig oder nicht, egal, ob 1940 oder 2010 geboren. 1973 erklärte er die Bildreihe für beendet aus Enttäuschung über die ausbleibende Wirkung im Alltag. Und doch hat ihn die Idee des demokratischen Baukastenbildsystems nicht mehr losgelassen.

Die Ausstellung zeigt die ursprünglichen, aus der Kybernetik stammenden Symbole auch in 3D. Penck entwarf in den Achtzigern und Neunzigern bunte Filzskulpturen aus verschlungenen Quadern, Schläuchen und Kugeln. Sie sind inspiriert von Science-Fiction-Romanen von Isaac Asimow oder Roger Zelazny. Im Ausstellungskatalog beschreibt er die Funktionen: „Transformator ist die Maschine, die alles verwandelt, also die Traummaschine überhaupt. Aschenputtel ist der ideale Roboter für alle Arbeiten. Mit dem Navigator kann man jeden Punkt im Raum erreichen.“ Heute wirken diese ungelenken Gebilde in ihrem weichen Filzkleid allerdings müde und erschlafft. Die Zukunft hat sie eingeholt.

Und wo steht der große Penck heute? Er sei noch künstlerisch tätig, heißt es knapp von der Galerie Michael Werner. Penck, der stets auch als Bildhauer, Plattencover-Gestalter und Musiker tätig war, arbeitet weiter an seinem universellen System aus Zeichen und Chiffren. Neuere Gemälde von 2007 ähneln stark den Schwarz-Weiß-Bildern aus dem Museum Ludwig, nur dass es in ihnen keine Strichmännchen mehr gibt. Pencks Alter Ego ist verschwunden. Wer weiß, vielleicht in die Zukunft?

Museum Ludwig, Köln, bis 20. März

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