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Ausstellung auf Schloss Sacrow: Dein Freund, der Baum

Schaumschläger, Pinkler, Träumer: Auf Schloss Sacrow suchen Künstler die Romantik - und wollen ihren Regeln der Komposition auf die Schliche kommen.

Gibt es in der Kunst des 21. Jahrhunderts noch Romantik? Huldigt tatsächlich noch jemand der Schönheit der Natur, ganz ohne Dekonstruktion und doppelten Boden? Die Berliner Kuratorin Lydia Korndörfer ging dieser Frage nach, ein Stipendium der Contemporary Arts Alliance, einer Berliner Vereinigung, die junge Kulturschaffende aus verschiedenen Sparten fördert, gab ihr die Gelegenheit, das Potsdamer Schloss Sacrow zu bespielen.

Dort schrieb der Dichter Karl Friedrich de la Motte Fouqué seine Romane, dort sinnierte der Komponist Felix Mendelssohn-Bartholdy über Musik, in der NS-Zeit baute der Preußische Generalforstmeister Friedrich Alpers das Haus nach seinem Geschmack um. Mit den unterschiedlichen Wandanstrichen in den Zimmern, den abgeblätterten Decken und dem schönen Ausblick auf den Park ist das Schloss der ideale Ort, um über den Wandel der Romantik nachzudenken.

Die Landschaft, der Wald, das Licht – das sind Themen für junge Berliner Künstler, auch wenn man das vielleicht nicht vermutet. Lydia Korndörfer hat unter dem Motto „Opening on the foam“ (Öffnung auf dem Schaum) Maler, Bildhauer und Multimediakünstler wie Julian Rosefeldt, Thea Drechsel, Sarah Schönfeld und Nasan Tur eingeladen, auch etliche Schüler von Olafur Eliasson, die sich auf ihre eigene Art mit der Natur ins Verhältnis setzen. Der große Romantiker Caspar David Friedrich stellte sich vor mehr als 200 Jahren in die Landschaft, spürte wie groß die Natur und wie klein er selbst war. Die Künstler heute fordern die Natur anders heraus.

Der Natur zeigen, wo der Hammer hängt

Julius von Bismarck bewohnt derzeit in Basel bei der Kunstmesse einen engen Betontrichter, deshalb kann er in Sacrow nicht persönlich anwesend sein. Seine kräftezehrenden Aktionen sieht man dort als Dokumentationen. Im Video "Tree Analysis" ist ein abgesägter Baumstamm zu sehen. Bismarck marschierte mit einem Messer in der Hand immer wieder um den Baum herum, ritzte damit in die Rinde, bis der Baum fiel. Ein absurdes Kräftemessen zwischen Mensch und Natur, wie auch bei Andreas Greiner und Fabian Knecht. Sie raubten von einer alten Eiche im Sacrower Schlosspark (nein, nicht der Tausendjährigen) einen Ast, bauten einen Bilderrahmen, schredderten den Holzrest und ließen daraus Papier schöpfen. Auf das Papier druckten sie ein Foto des Baumes. So zeigt man der Natur, wo der Hammer hängt. Wohl wissend, dass es vergeblich ist.

Caspar David Friedrich befreite sich von den Kompositionsregeln der Akademiemalerei, bei den jungen Berlinern nimmt man das Gegenteil wahr. Offenbar möchten sie wieder den klassischen Regeln der Komposition auf die Schliche kommen. Der Maler Maximilian Rödel experimentiert mit Friedrichs Farbpalette, violett, blau, gelb, mit einem Stift haucht er Linien und Streifen auf den fast monochromen Bildraum, ergründet den Kippmoment, in dem das abstrakte Farbenmeer zur Landschaft wird. Seine Bilder, die aus zahlreichen Farbschichten bestehen, ändern ihr Aussehen je nach Lichteinfall, mal sind sie grau und schmelzen in die graue Wand, dann schimmern sie violett.

Themenfokus: Waldlandschaften

Ähnlich wandelbar sind die Werke von Bettina Khano. Die Künstlerin zeigt zwei Aluminiumplatten, deren Flächen sie mit grauem Farbspray besprüht hat. Die Bilder glänzen wie blank polierter Stahl, die blinden Flecken in der Mitte reagieren auf das einfallende Tageslicht und quellen manchmal scheinbar über die Bildränder hinaus, flüchtig wie Friedrichs Nebelmeer. Der Fotograf Andreas Mühe zeigt seine Obersalzbergbilder. Mühe hat in die Waldlandschaft, in der sich Hitler einst als volksnaher Herrscher inszenierte, als Nazis verkleidete Schauspieler gestellt. Während Friedrichs Rückenfiguren sich in kontemplativer Naturbetrachtung verlieren, pinkeln Mühes Protagonisten rüde ins Landschaftsidyll.

Der Wald wird als Ort der Macht, der Mystik, der inneren Einkehr, der Täuschung in etlichen Arbeiten thematisiert. Während draußen im schönen, von Lenné gestalteten Schlosspark die Sonnenuhr mit einer schwarzen Box abgedeckt ist, ein eigenes Universum aus Zeit und Raum umschließend. In der Nähe einer Baumkrone schwebt ein Zelt von Malte Bartsch, eine Insel für zwei, der Welt entrückt. Wie lange es wohl dauert, bevor es herabsinkt ins Gras?

Schloss Sacrow, Potsdam, Samstag und Sonntag, 20./21.6., 10-18 Uhr.

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