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Die „Kid A Mnesiac Exhibition“, ein Hybrid aus Videospiel, virtuellem Museum und Pop-Palast.

© dpa / Evan Agostini

Aus Alt mach Hit: Wird Song-Recycling der neue Trend im Musikbusiness?

Taylor Swift bricht gerade Streaming-Rekorde mit Liedern, die neun Jahre alt sind. Ihr Beispiel könnte Schule machen – und das gegen den Willen der Labels.

Jake Gyllenhaal hat es nicht leicht in diesen Tagen. Während der Schauspieler versucht, auf Instagram seinen neuen Film zu bewerben, ergießen sich tausende von Kommentaren unter seinen Fotos. „Wo ist der Schal, Jake?“ fragt ein User. „Du hättest wenigsten zu ihrer Geburtstagsparty gehen können“, schreibt jemand anderes. Es sind die Fans von Taylor Swift. Sie sind gekommen wegen „All too well“, einem Song, in dem Swift mutmaßlich das Ende ihrer Beziehung mit Gyllenhaal besingt. Es geht darum, wie toll es einmal war, wie schlecht er sie dann behandelte und dass er immer noch ihren Schal in der Schublade liegen hätte, weil er sie wohl doch nicht ganz vergessen kann. Der Clou: Das Ganze ist bereits neun Jahre her.

Taylor Swift ist gerade dabei, das Musikbusiness umzukrempeln. Sie setzt auf Recycling: Nach und nach nimmt sie ihre alten Alben noch einmal neu auf, gerade ist die „Taylor’s Version“ ihres Hit-Albums von 2012, „Red“, herausgekommen. Damals war Swift 22 Jahre alt und frustriert über das Ende ihrer Beziehung mit Gyllenhaal. Den neun Jahre alten Liebeskummer hat sie jetzt noch einmal aufgekocht, mit einer 10-minütigen Version von „All Too Well“, dazu ein Hochglanz-Musikvideo, das als „Short Film“ angepriesen wird. Die Strategie geht auf – die neue Version der alten Platte ist bei Spotify & Co deutlich erfolgreicher als das Original.

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Dass Swift mit ihren alten Songs noch einmal Kasse macht, hat eine lange Vorgeschichte. Seit Jahren war sie in einen Streit über die Verwertungsrechte ihrer ersten sechs Alben verwickelt. Die Rechte hatte sie zu Beginn ihrer Karriere an ihr damaliges Label, Big Machine Records abgetreten. Wem die sogenannten „Master Tapes“ gehören, bestimmt, was damit getan wird – und verdient daran. Dem „Wall Street Journal“ zufolge gehen bei einem herkömmlichen Plattendeal lediglich 20 Prozent der Streaming-Gewinne an die Künstler:innen. Gehören ihm oder ihr jedoch die Masters, bekommen sie 80 bis 95 Prozent der Einkünfte.

Swifts Versuche, ihre Masters zurückzukaufen, sind gescheitert. Also kündigte sie kurzerhand an, dass sie die Alben noch einmal neu aufnehmen werde. Im April veröffentlichte sie das neu aufgenommene Album „Fearless“, das ursprünglich 2008 erschien. Im November folgte „Red“, mit neuem Konzept: Die alten Songs gibt es in neuen, längeren Versionen mit teilweise neuen Lyrics. Dazu spektakuläre Videos. Gerade ist das zweite Video herausgekommen. Swift spielt darin eine Weddingscrasherin, der Schauspieler Miles Teller ist in der Hauptrolle zu sehen. Regie führte Swifts Freundin, die Schauspielerin Blake Lively.

Der Hype ist riesig, „Red (Taylor’s Version“) brach unter anderem den Spotify-Rekord für das an einem Tag am meisten gestreamte Album einer Frau, mit 122,9 Millionen Streams. Swift hat aus einer unschönen Situation also Gold gesponnen – und könnte zum Vorbild für andere Künstler:innen werden. Den großen Labels drohen damit erhebliche Einbußen. Durch die Streamingplattformen haben sie bereits an Macht verloren: Es ist heutzutage viel einfacher für Künstler:innen, ihre Musik weitflächig zu verbreiten.

Taylor Swift ist ein Marketinggenie

Während Swifts aktuelles Label Universal von ihren Recycling-Alben profitiert, ist die Plattenfirma ironischerweise gerade dabei, andere Künstler:innen daran zu hindern, es Swift gleichzutun. Dem „Wall Street Journal“ zufolge verschärfte Universal die Verträge. Bisher war es üblich, dass entweder fünf Jahre seit dem letzten Album oder zwei Jahre seit Vertragsende vergangen sein müssen, bis ein Künstler Musik noch einmal neu aufnehmen darf. Universal soll diese Fristen jetzt verlängert haben, auf sieben beziehungsweise fünf Jahre.

Ist Taylor Swift nun also der Robin Hood der Musikindustrie oder doch nur eine eiskalt berechnende Geschäftsfrau? Wahrscheinlich irgendetwas dazwischen – mit Sicherheit aber ist sie ein Marketinggenie. Und Jake Gyllenhaal verbrennt wohl gerade irgendwo einen alten Schal.

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