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Wie schwebend wirken die Farbkreise von Ernst Wilhelm Nay in seinem Bild „Helle Akzente“ (1956).

© Ketterer Kunst / VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Auktionshaus Ketterer: Lichte Momente

Kirchner, Nay & Uecker: Die Highlights der Frühjahrsauktionen von Ketterer gastieren in Berlin.

Welches Image die Deutsche Bank abstreifen will, wenn sie Werke von Wassily Kandinsky oder Gerhard Richter aus ihrer Sammlung veräußert, kann man nur vermuten. „Trüber Aufstieg“, das Blatt von Kandinsky, ist fast hundert Jahre alt und wurde bereits vergangenen Herbst bei Christie’s in Paris versteigert. Günther Ueckers "Kunstpranger", eine brachiale Skulptur, die Mitte Juni im Münchner Auktionshaus Ketterer für mindestens 200.000 Euro zum Aufruf kommt, hat knapp vierzig Jahre hinter sich. Klassische Werte spielen bei der krisengeplagten Bank offenbar keine Rolle mehr. Die Vergangenheit wird abgeschüttelt, statt auf die Moderne des 20. Jahrhunderts setzt man dort auf jüngste Kunst, die für die auf den Auktionen erzielten Erlöse angekauft werden soll.

Dabei wirft die etablierte Kunst des 20. Jahrhunderts auch ein vorteilhaftes Licht auf das Unternehmen. Die Künstler haben sich schließlich längst bewiesen: Sie sind die Avantgarde ihrer Generation, ihre Werke werden immer nur wertvoller. Für die Bank ist der Abschied von solchen Namen ein symbolischer Verlust, Ketterer hingegen kann sich freuen: Neben Uecker kommen auch Bilder von Lesser Ury, Günther Uecker oder Max Liebermanns Ansicht vom „Nutzgarten in Wannsee nach Südosten“ von 1923 auf den Markt – ein zutiefst impressionistisches Bild, das die Farben feiert und auf 300.000–400.000 Euro taxiert ist.

Federleichte Farbakkorde

Der Sonderkatalog „Aus der Sammlung Deutsche Bank“ trumpft überdies mit Werken von Hans Hartung, Rupprecht Geiger, Bernhard Schultze, Paula Modersohn-Becker und Ernst Wilhelm Nay auf. Von ihm stammt das abstrakte Gemälde "Doppelspindel-Rot" (1967) mit einem Schätzpreis von 200.000 Euro. Ebenso hoch ist mit „Helle Akzente“ aus den fünfziger Jahren ein weiteres Nay-Bild jenseits der Banksammlung angesetzt - ein souveränes Spiel des Künstlers mit federleichten Farbakkorden. Wer Nay schätzt und dennoch niedriger einsteigen möchte, dem sei für eine Taxe von 10.000 Euro dessen Ölbild "Fisch und Muschel" von 1932 empfohlen. Es geht nicht mit auf die Tour der Highlights für die nahen Frühjahrsauktionen, kann jedoch im Internet oder bei Ketterer in München begutachtet werden.

In Berlin jedenfalls kommt Sehenswertes zusammen. Die Kunst des 19. Jahrhunderts ist mit gleich vier Motiven von Karl Hagemeister bestückt. Von ihm besitzt das Bröhan-Museum in Berlin eine beeindruckende Sammlung – was man sofort versteht vor seinen zart diesigen Landschaften, die elegant mit den asiatischen Einflüssen ihrer Zeit spielen. Zwischen 15.000 und 25.000 Euro setzen die Experten des Hauses für einen Hingucker wie „Roter Mohn am Seeufer“ an. Bei 3000 Euro sehen sie die Graphitzeichnung eines männlichen Aktes von Franz von Stuck, dessen eigentümliche Zeitlosigkeit ihn von 1912 direkt in die Gegenwart befördert – was ihn so anziehend macht, dass man sich auch höhere Gebote vorstellen kann.

Bei den Zeitgenossen fällt – neben einem ganzen Konvolut von Beuys-Arbeiten – ebenfalls eine Meeransicht von Rainer Fetting aus, die mehr Liebermann verpflichtet scheint als dem viel zitierten Stil der Jungen Wilden. 20.000– 30.000 Euro erwartet Ketterer für das relativ kleine Quadrat (31,4 x 31,4 cm). Mit „Schöne Tage im Hochschwarzwald“ offenbart schließlich auch der 2020 verstorbene Peter Dreher seine Faszination für die Landschaft. Allerdings repetiert er sein Motiv – so wie es üblich für Drehers Auffassung von Malerei war (Taxe: 40.000–60.000 Euro).

Topwerke im "Evening Sale"

Die Expressionisten sind wie gewohnt im Hause Ketterer gut vertreten. Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Ernst Ludwig Kirchner: Von allen finden sich expressive Zeichnungen zu moderaten Schätzpreisen. Wobei auch hier ein glutrot glänzender Wasserspiegel mit Steilküste von Hermann Max Pechstein ins Auge fällt (30.000 Euro). Mehr als das Zehnfache wird für Kirchners „Sertigweg“ von 1937 erwartet – ein ausdrucksstarkes Hochformat mit schroffem Gebirge und tiefgrünem Wald.

Den „Evening Sale“ mit seinen Topwerken dominiert – neben einem abstrakten Bild von Gerhard Richter in derselben Höhe - die „Landschaft mit Mutterpferd“ von Emil Nolde. Mit 600.000 Euro zählt die von schwefelgelben Wolken überformte Szenerie sie zu den wertvollsten Losen. Allein für Ueckers monumentales „Energiefeld“ von 2008 werden noch einmal 100.000 Euro mehr erwartet. Die für ihn typischen Nägel hat der Künstler mit so viel Verve in alle Richtungen eingeschlagen, dass sie wie ein vom Sturm bewegtes Weizenfeld aussehen. Einen Moment lang fühlt man sich an den Duktus von Van Gogh erinnert, dessen nervösen Pinselstrich. Und begreift, dass keiner der Künstler einfach so, ohne Vorbilder, sein Werk beginnt. Sie alle sind mehr oder weniger sichtbar miteinander verbunden.

Ketterer Kunst, Vorbesichtigung Berlin, Fasanenstr. 70; 5.–9. Juni 10–18 Uhr, 10. Juni 10–20 Uhr, www.kettererkunst.de

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