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Lovis Corinth, „Liegender weiblicher Rückenakt“, 1887.

© Grisebach

Auktionen bei Grisebach: Sanfte Sehnsucht

Max Beckmann und Lovis Corinth erzielen bei Grisebachs Frühjahrsauktionen Spitzenpreise – doch es geht auch einiges zurück.

Der Blick fällt auf einen verschneiten Weg. Die schwarzen Stämme der gestutzten Bäume kreuzen sich zur Gasse, ihre Äste ragen in den graublauen Himmel. Darunter steht eine verlassene Bank. Das Ölbild „Tiergarten im Winter“ zeugt von Sehnsucht und Melancholie, Max Beckmann malte es 1937 kurz vor seinem Exil. Vor der Ausreise war Beckmann aus Frankfurt nach Berlin zurückgekehrt und wohnte im Tiergartenviertel. Dort entstand das Gemälde als eines der letzten, das der Künstler noch in Deutschland malte.

Das Bild mit einer oberen Taxe von einer Million Euro gehörte zu den Spitzenlosen der aktuellen Auktionen bei Grisebach und sprengte in der Versteigerung die Millionengrenze. Trotz sommerlicher Hitze reizte die kühle Winterlandschaft mehrere Bieter am Telefon und im Saal zu einem intensiven Schlagabtausch. Erst bei 1,5 Millionen Euro (alles Zuschlagspreise ohne Aufgeld) wechselte das Gemälde mit dem Hammerschlag seinen Besitzer. Es ging an einen Privatsammler aus Nordamerika.

Nicht alle Werke hatten es leicht als Los

Auch andere Lose verkauften sich gut: Das farbenprächtige Aquarell „Aufziehendes Wetter über Marschenhof (Seebüllhof)“ von Emil Nolde überstieg mit dem Gebot eines Privatsammlers aus Hessen in Höhe von 250 000 Euro den oberen Schätzwert, der bei 150 000 Euro lag. Ein weiteres Aquarell des Künstlers mit rußendem Dampfer von 1910 verdoppelte mit 130 000 Euro sogar die Taxe. Karl Hofers sich kämmendes Mädchen von 1938 erzielte stolze 330 000 Euro, die „Herbstliche Landstrasse“ von Gabriele Münter 250 000 Euro, das Aquarell „Zwei weibliche Akte im Wald“ von Otto Müller kam für 165 000 Euro unter den Hammer. An einen Schweizer Sammler geht das schöne Porträt seiner Frau von Max Kaus für 70 000 Euro.

Insgesamt spielte die Abendauktion – wie immer der Höhepunkt der Auktionen bei Grisebach – mit Aufgeld etwa 6,4 Millionen Euro ein und übertraf damit die Erwartungen bei Weitem. „Wir sind sehr zufrieden mit den bisherigen Ergebnissen“, freute sich daher auch die geschäftsführende Gesellschafterin Micaela Kapitzky über das Ergebnis. „Die Abendauktion ist toll gelaufen. Besser hätte es kaum sein können."

Dabei hatten es nicht alle Werke leicht mit dem Verkauf: Bei den weißen Lilien auf blauem Grund von Erich Heckel – ein Gemälde, das lange als verschollen galt – verebbte das Interesse der Bieter schon bei 120 000 Euro. Dabei lag die untere Schätzung bei 200 000 Euro. Auch die „Frau im Wald“ von Conrad Felixmüller blieb mit 180 000 Euro knapp unter den ursprünglichen Erwartungen von 200 000 Euro und wechselte zunächst nur unter Vorbehalt den Eigentümer. Das Bild wurde dann aber kurz nach der Auktion verbindlich verkauft. Die Feierlaune im Hause Grisebach konnte das nicht trüben.

Der Rückenakt von Lovis Corinth geht nach Nordamerika

Die Auktion mit Kunst des 19. Jahrhunderts war ebenfalls gut besucht, viele Interessenten waren eigens dafür aus anderen Städten angereist. Das Landschaftsbild des französischen Impressionisten Camille Pissarro, mit einem Schätzwert zwischen 400 000 und 600 000 Euro das Spitzenlos in diesem Segment, blieb jedoch liegen. Bei 380 000 Euro wollten die Interessenten nicht mehr weiterbieten. „Eine große Überraschung war das. Ein wunderschönes Bild und auch richtig bewertet“, bilanziert Micaela Kapitzky. Doch kurz vor Schluss ging den Bietern offenbar der Atem aus.

Erfolgreich versteigert wurde hingegen der Rückenakt von Lovis Corinth. Für 300 000 Euro ging das Gemälde von 1887 an einen Händler in Nordamerika. Den unteren Schätzwert verdreifachen konnte eine kleinformatige Mondscheinlandschaft von Johan Christian Clausen Dahl mit 132 000 Euro. Eine Strandszene mit Segelschiff vor wolkenverhangenem Himmel von Théodore Gudin erzielte 31 000 Euro anstelle der geschätzten 5000 Euro, das Skizzenbuch eines unbekannten Künstlers aus Italien kletterte auf 15 000 Euro (untere Taxe: 1500 Euro). Insgesamt erbrachte die Abteilung Kunst des 19. Jahrhunderts einen Erlös von 1,85 Millionen Euro und blieb damit leicht hinter den Erwartungen zurück.

Grisebach rechnet mit einem Umsatz von 16 Millionen Euro

Im Orangerie-Segment wurden ausgewählte Objekte im Wert von 955 000 Euro versteigert. Auch hier lag der Verkauf etwas unter dem mittleren Schätzwert. Den höchsten Erlös erzielte das akademische Aktmodell aus Lindenholz von Franz Xaver Seegen mit einem Preis von 160 000 Euro. Die Spitzenlose der Fotografie fanden dagegen fast alle neue Besitzer: Das neusachliche „Bäumchen“ von Albert Renger-Patzsch erzielte 40 000 Euro, das Pflanzenbild von Karl Blossfeldt 35 000 Euro und die Industrieaufnahme von Margaret Bourke-White 20 000 Euro. Im Bereich der zeitgenössischen Fotografie stieß Helmut Newtons Inszenierung von Nastassja Kinski mit Marlene-Dietrich-Puppe und entblößter Brust auf Interesse, der Abzug wurde für 12 000 Euro verkauft. Sherrie Levines Blossfeldt-Adaption fand für 9 000 Euro einen neuen Besitzer. Insgesamt wurden mit der Versteigerung von Fotografien 530 000 Euro eingespielt.

In den letzten Auktionen hoffte das Auktionshaus mit der Versteigerung weiterer Werke der Moderne und zeitgenössischen Kunst, der Picasso-Keramiken sowie von Werken unter 3000 Euro auf einen zusätzlichen Erlös von rund 7,4 Millionen Euro nach einem mittleren Schätzwert. 9,73 Millionen wurden bereits eingespielt, 16 Millionen sollen es insgesamt werden. Wenn alles gut läuft, gelingt auch dies.

Grisebach, Fasanenstr. 27. Am 3. 6. finden um 11 und 15 Uhr die Versteigerungen „Third Floor“ statt.

Von Angela Hohmann

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