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Die Videoarbeit „Space-Dot-Com“ von Sharon Paz.

© Mikala Hyldig Dal / Sharon Paz

Augmented Reality-Schau: Bei „Kurt-Kurt“ reden Avatare über Isolation

Einsamkeit als Massenphänomen: Die Künstlerinnen Sharon Paz und Mikala Hyldig Dal ergründen mit Augmented Reality, was die Pandemie mit uns macht.

Im Berliner Projektraum Kurt-Kurt stapeln sich geöffnete Kartons. Ihr Inneres nutzt die Künstlerin Sharon Paz, um die Arbeit „#distance“ zu projizieren: Aus jeder Box spricht ein Avatar über Einsamkeit und Isolation in dieser pandemischen Zeit.

Schon die erste Figur, die Hannah Arendt darstellt – deren Buch über die „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ Paz zu der Arbeit inspirierte –, diagnostiziert Einsamkeit als Erscheinung der Moderne, die Menschen empfänglich für totalitäre Systeme macht.

Für andere Texte befragte Paz Freunde und Bekannte aus verschiedenen Nationen nach ihrer Situationen in der gegenwärtigen Pandemie und stattete die Avatare mit deren Stimmen aus. Interaktiv können Besucher und Besucherinnen über einen QR-Code ihre eigenen Gedanken beisteuern und so Teil der Arbeit werden. Die israelische, seit Langem in Berlin lebende Künstlerin befasst sich in ihrem multimedialen Werk immer schon mit gesellschaftspolitischen Themen.

Mit ihrer in Dänemark geborenen, ebenfalls in Berlin lebenden Kollegin Mikala Hyldig Dal realisierte sie für den Projektraum mit „Space-Dot-Com“ eine hochkomplexe animierte Videoarbeit, mit der die Künstlerinnen aus dem Homeoffice Fragen zum Verhältnis von Individuum und Gesellschaft triggern. Mikala Hyldig Dal ist in ihrem Studio beim Essen zu sehen, während ihr allerlei kapitalismuskritische Gedanken zu Stadt, öffentlichem Raum und Wohnverhältnissen sowie über die Dislozierung von Arbeit durch den Kopf gehen, die sich dem Publikum als Sprachfluss mitteilen.

Verbunden wird das Ganze mit der Frage, ob kritisches Bewusstsein und Empathiefähigkeit im digitalen Zeitalter auf der Strecke bleiben, weil transgenerative Sprachvermittlung und direkte körperliche Erfahrung immer stärker durch das Netz ersetzt werden.

Ein Fenster in eine virtuelle Realität

Im Zentrum der Ausstellung hängt Hylding Dals Skulptur „(…)“: Drei in Klammern gefasste Punkte als Verweis auf eine Auslassung. Mit einem Tablet fixieren die Besucher die Skulptur und öffnen ein Fenster in eine virtuelle Realität, die sich über den realen Raum legt.

[Kurt-Kurt, Lübecker Str. 13; bis 17. 4., Mi/Sa 16–19 Uhr u. nach Vereinbarung, Tel.: 39 74 69 42, Mail: info@kurt-kurt.de]

Diese Methode der Augmented Reality, einer computergestützten Realitätswahrnehmung, ist aus Hyldig Dals Arbeit im Stadtraum bekannt. Dort hat sie mehrfach dystopische Stadtvisionen für das Publikum bei den von ihr initiierten Rundgängen „Utopian Tours“ über Tablets und Smartphones erfahrbar gemacht.

Beide Künstlerinnen widmen sich in der „dot.dot.dot“ betitelten Ausstellung sowohl der gesellschaftlichen wie auch der autobiografischen Situation in der Pandemie und stellen profunde Fragen zu einer verstörenden Gegenwart.

Matthias Reichelt

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