zum Hauptinhalt
Locker bleiben. Mitglieder des Rundfunkchores machen sich fit für den Neustart.

© Rundfunkchor Berlin

Auf Distanz singen - geht das?: Wie der Berliner Rundfunkchor in der Corona-Krise probt

Nach zwei Monaten Zwangspause ist der Berliner Rundfunkchor im Probebetrieb. So ganz hat man sich noch nicht an die neue Situation gewöhnt.

„Gespenstisch leer“ sieht der Saal an der Charlottenburger Masurenallee derzeit aus, in dem der Berliner Rundfunkchor traditionell seine Programme einstudiert, erzählt Chordirektor Hans-Hermann Rehberg.

Denn nach den aktuellen Abstandsregeln dürfen sich maximal 11 Personen dort aufhalten. Vor Beginn der Coronakrise dagegen trafen sich die 64 Profis stets gemeinsam im Haus des Rundfunks, standen dicht beisammen, damit sich der Klang von Sopranistinnen, Altistinnen, Tenören und Bässen zur perfekten Harmonie mischen konnte.

Jetzt arbeitet dagegen jede Stimmgruppe einzeln – und das auch noch geteilt. Jeweils zwei Stunden lang, dann wird intensiv durchgelüftet.

Im zweiten Schritt wollen sie dann vierstimmig proben, mit jeweils zwei Quartetten im Raum, schließlich könnte dann auch die große Besetzung zusammenkommen, weiträumig verteilt im leeren Sendesaal des RBB.

Mühevoll und zeitaufwändig ist so ein Corona-Probenprozess, das gibt Hans-Hermann Rehberg offen zu. Aber nach zweieinhalb Monaten Zwangspause sollte es unbedingt wieder losgehen mit dem kollektiven Gesang. Wann die ersten Konzerte vor Publikum stattfinden können, ist zwar weiterhin ungewiss, doch so ein Chorklang lässt sich nicht einfach wieder anknipsen.

Qualität liegt eigentlich in der Dichte

Schon gar nicht, wenn die Sängerinnen und Sänger jeweils drei Meter untereinander Abstand halten müssen und sogar sechs Meter zum Dirigenten, wie jetzt. Eigentlich, sagt Rehberg, entwickelt sich die Qualität der Profichöre ja gerade aus der Dichte des Klangs. „Auf Distanz zu singen, fordert nun eine neue Sensibilität von den Sängerinnen und Sängern.“

Für den Rundfunkchor wird es zweifellos ein langer Weg, bis er sich wieder auf die gewohnte Art Gehör verschaffen kann. Seit Montag läuft die Testphase. Das Singen mit Mundschutz haben sie ausprobiert, aber das klang schrecklich.

Dann haben sie diese Visiere aus Plexiglas aufgesetzt: Unter denen hört sich der Singende selber zwar ganz gut, doch beim Dirigenten kommt ein Sound an, den der Chordirektor „topfig“ nennt.

[Alle wichtigen Updates des Tages zum Coronavirus finden Sie im kostenlosen Tagesspiegel-Newsletter "Fragen des Tages". Dazu die wichtigsten Nachrichten, Leseempfehlungen und Debatten. Zur Anmeldung geht es hier.]

Ende Juni ist der erste Auftritt geplant, allerdings als Geisterspiel, bei der beliebten „Rundfunkchor Lounge“ im Radialsystem. Deutschlandfunk Kultur, so der Plan, soll den von Entertainerin Gayle Tufts moderierten Abend aufzeichnen und senden. Als Mitschnitt könnte auch noch die nächste Folge der „Liederbörse“ herauskommen, ein Projekt des Chores für Schulklassen.

Eine für den Herbst vereinbarte Gastspielreise nach New York und Los Angeles ist bereits abgesagt, für die geplante Südamerikatournee besteht nur geringe Hoffnungen.

Und auch die Berliner Kulturszene wartet ja noch auf Ansagen der Politik, wie es nach dem Lockdown der Veranstaltungsorte weitergehen kann.

Alle Genregrenzen sprengen

Trotzdem hat der Chor jetzt sein Programm für die Saison 2020/21 so veröffentlicht wie vor der Pandemie geplant. Herzstück ist eine Konzertinstallation, die Anfang Oktober im Vollgutlager über die Bühne gehen soll, ein interdisziplinärer Abend, bei dem Beethovens „Missa solemnis“ auf zeitgenössische Kompositionen trifft.

Mit Projekten, die alle Genregrenzen sprengen, hat sich der Rundfunkchor in der letzten Jahren ein Alleinstellungsmerkmal erarbeitet. Aber er ist auch der wichtigste Partner für die Berliner Orchester, wenn es um große Chorsinfonik geht.

Zur Startseite