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Die Reliquie erwacht. Christoph Koncz mit Mozarts Geige.

© Andreas Hechenberger

Auf den Spuren des Meisters: Wie Mozarts Geige zum Leben erweckt wird

Dirigent Christoph Koncz hat Mozarts Violinkonzerte auf der Originalgeige des Komponisten eingespielt. Ein Treffen.

Kurzfristig haben das Mozarteum und die Versicherungen dann doch noch die Reißleine gezogen. Eigentlich war das Treffen mit Christoph Koncz in Begleitung jener Kostbarkeit angesagt, die vom Salzburger Mozarteum gehütet wird wie eine Reliquie: Mozarts Geige. Diese reist nur ganz ausnahmsweise unter den Argusaugen von zwei Mitarbeitern des Mozarteums und dann nur zu Konzerten.

Das Instrument aus dem Mittenwalder Hause Klotz war lange Zeit ein reines Museumsinstrument, wurde nur selten gespielt. Bei einer dieser raren Gelegenheiten vor acht Jahren hörte der Stimmführer der Wiener Philharmoniker und Dirigent Christoph Koncz das Instrument bei einem Konzert der Salzburger Mozartwoche.

Er war elektrisiert und ging danach hinter die Bühne. „Ich habe gefragt, ob ich die Geige mal sehen darf. Und dann wurde ich zu meiner Überraschung eingeladen in Mozarts Geburtshaus. Ich habe mir von einem Freund einen Barockbogen ausgeliehen und durfte damit in den Tresorraum im fünften Stock. Drei oder vier Stunden lang habe ich alle Mozart-Konzerte rauf und runter gespielt. Das war wirklich ein Erweckungserlebnis.“

Koncz war offenbar der Erste, der die Geige in die Hand nahm und sofort stundenlang darauf spielte. „Ich habe mich spontan mit dem Instrument sehr gut zurechtgefunden. Und in dieser Seligkeit habe ich dann gefragt, ob es eigentlich schon eine Aufnahme von Mozarts Violinkonzerten mit dieser Geige gibt?“

Tatsächlich gab es noch keine. Was in Zeiten der boomenden historischen Aufführungspraxis erstaunlich ist, denn der Gedanke drängt sich auf. Zumal Mozart in seiner Salzburger Zeit, in der er Konzertmeister der Hofkapelle war und alle seine Violinkonzerte komponierte, nachweislich auf diesem Instrument spielte.

Mozart möglichst nah kommen

Die Provenienz der Salzburger Geige ist lückenlos geklärt: Als Mozart 1780 nach Wien ging, ließ er die Geige bei seiner Schwester Nannerl zurück, die schenkte sie einer Schülerin, schließlich landete sie 1955 bei der Stiftung Mozarteum. Dass die Geige durch den früh nach Mozarts Tod einsetzenden Kult quasi als Reliquie begriffen wurde, ist ein Glücksfall – sie befindet sich im Originalzustand, ohne die sonst üblichen Modernisierungen aus dem 19. Jahrhundert.

Seit 2012 hat Koncz viel Quellenforschung betrieben, um „möglichst nah an Mozart herankommen und ein möglichst authentisches Erlebnis zu bieten“. Die Besetzung der Hofkapelle ist dokumentiert, „es waren sechs erste Geigen, insgesamt 26 Musiker, die Bassinstrumente haben wir verstärkt mit Fagott, was üblich war. Und wir spielen ohne Dirigenten, es war selbstverständlich, dass der Solist auch dirigiert“.

[Die CD mit Christoph Koncz und den Musiciens du Louvre ist bei Sony Classical erschienen. Das einzige Live-Konzert findet am Sonntag, den 18. 10., um 11 Uhr in der Kölner Philharmonie statt.]

Für Koncz ist die Tatsache, dass für sämtliche Violinkonzerte keine Kadenzen von Mozarts Hand überliefert sind, ein Beweis dafür, dass Mozart die Konzerte für sich selbst komponierte, denn bei den Klavierkonzerten notierte er Kadenzen nur für andere Interpreten. Wenn er sie selbst spielte, improvisierte er stets.

„Bis heute lernen Studenten die Phrasierungsbögen und Kadenzen von Joseph Joachim aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Das ist aber eigentlich ein Anachronismus und hat mich schon immer gestört. Der einzige Weg nach vorne war also, Kadenzen selbst zu verfassen im Stil Mozarts.“

Den Klang massieren

Koncz hat die Violinkonzerte mit Mozarts Geige noch einmal „ganz neu gedacht“. Dieses Privilegs ist er sich bewusst. „Man kann sagen, seit Mozarts Tod hat niemand so regelmäßig auf diesem Instrument gespielt wie ich. Der Klang hat sich stark entwickelt in dieser Zeit. Es hat gedauert, bis das Instrument erwacht ist, so etwas braucht viel Geduld und gutes Zureden. Man muss den Klang besonders massieren, dass er sich langsam und stetig öffnet.“

In Wien trat Mozart vor allem als Pianist in Erscheinung. Warum er das Geigenspiel vernachlässigte, bleibt Spekulation. Dabei muss er ein außerordentlicher Geiger gewesen sein, seinem Vater schrieb er von einem Auftritt in Augsburg: „Es gieng wie öhl, alles lobte den schönen, reinen Ton.“

Man ahnt, was gemeint ist, wenn man die wirklich erhellende Einspielung von Koncz und den Musiciens du Louvre hört. Das Instrument klingt weich, aber äußerst präsent, in der hohen Lage schimmert silbriger Glanz, die Mitte klingt rund, die Tiefe überraschend sonor.

„Damit lässt sich kantables Spiel sehr schön darstellen. Ich bin davon überzeugt, dass Mozarts Erfahrungen mit diesem Instrument ganz stark eingeflossen sind in die Komposition. Wenn man die Konzerte auf diesem Instrument spielt, hat man das Gefühl, das passt perfekt zusammen. Das ergibt sehr viel Sinn.“

Regine Müller

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