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Die Schauspielerinnen Natalia Berezhnaya (l) and Olga Shkabarnya beim Photocall zu "Dau. Natasha".

© John MACDOUGALL / AFP

Auch auf der Berlinale blieben sie vage: Wie die „DAU“"-Macher mit kritischen Fragen umgehen

Im Vorfeld gab es viel Kritik am „DAU“-Projekt, von einer Atmosphäre der Angst war die Rede. Alles nur Gerüchte, sagt Regisseur Khrzhanovskiy auf der Berlinale.

Ein bisschen reden sie aneinander vorbei während der Pressekonferenz zum Wettbewerbsfilm "DAU. Natasha", der am Mittwochabend im Berlinale Palast Weltpremiere feiert. Da wird Hauptdarstellerin Natalia Berezhnaya nach dem Mitspracherecht bei ihrer Rolle gefragt, und nach der sehr expliziten Sex-Szene.

"Wir hatten einen Wahnsinnsregisseur, einen unglaublichen Kameramann und unglaubliche Schauspieler", sagt sie. Will heißen, es war alles doch nur genial gut fingiert? Oder im Gegenteil, das Vertrauen war so groß, dass sie sich beim realen Sex filmen ließ? Auch die Trunkenheit einschließlich Erbrechen sieht "echt" aus auf der Leinwand, ebenso die Einschüchterung, die Demütigung und die Gewalt bei der Verhör- und Folterszene. Genial fingiert?

Oder die Frage nach den Belästigungsvorwürfen von Mitarbeiterinnen, die anonym bleiben wollen, zuletzt berichtete die "taz" darüber. Anonyme Vorwürfe, das kennt man ja aus der Sowjetunion, sagt Regisseur Ilya Khrzhanovskiy. Eine befremdliche Art, die Frage abzuwehren, indem die Äußerung möglicher MeToo-Opfer, die ein wie auch immer zustande gekommenes Schweigen brechen, mit politischer Denunziation gleichgesetzt wird.

Als eine Journalistin nachhakt, ob die Anonymität vielleicht eher mit der Verschwiegenheitserklärung zusammenhänge, die alle am "Dau"-Set im ukrainischen Charkiw unterschreiben mussten, betont der Regisseur nochmals die Freiwilligkeit als Basis der Zusammenarbeit. Und fügt hinzu, "Dau" sei ja ein sehr ungewöhnliches Projekt. Da denken viele, "irgendjemand muss ja aufgefressen oder vergewaltigt worden sein".

Belästigung, (Macht-)Missbrauch, Arbeit unter Druck? Alles Gerüchte, so der russische Regisseur. Was Natalia Berezhnaya bekräftigt: "Wir waren Herrinnen unserer Sinne, natürlich hatten wir etwas Angst, aber wir waren uns dessen bewusst, was wir tun?" Etwas später erklärt sie die Arbeit auf dem Set in Charkiw so: "Es gab kein Script, wir hatten da unser Leben, eine teilweise furchterregendes, erdrückendes Leben, wir hatten Angst, wir hatten Beziehungen, wir lebten - und zwar nicht nach einem Drehbuch."

Khrzhanovskiy - „Alle Gefühle sind real“

Ein bisschen liegt es auch daran, dass Regisseur Ilya Khrzhanovskiy sehr schnell spricht und die Simultandolmetscherin kaum nachkommt, dass diese Frage-Antwort-Runde zum ersten öffentlich gezeigten Film aus dem umstrittenen "Dau"-Projekt einen ratlos zurücklässt.

Geduldig und wie gesagt in hohem Tempo erklärt Khrzhanovskiy noch einmal die Vorgeschichte mit der nicht genehmigten Mauer-Installation in Berlin-Mitte 2018 und die Grundzüge des Riesenwerks: das Forschungslabor aus der Stalinzeit als Riesen-Kulisse, mehrjähriger Dreh, kein Drehbuch, nur jeweils die grobe Richtung einer Szene, 700 Stunden Material, zahlreiche Filmauskopplungen, ausschließlich Laiendarsteller.

Natasha/Natalya hat "ihr ganzes Leben lang für diese Rolle geprobt", erläutert er die Grenzüberschreitung zwischen Realität und Fiktion.

"Alle Gefühle sind real, aber die Umstände sind nicht real, in denen diese Gefühle entstehen." Mit den beiden auf der Berlinale gezeigten "Dau"-Filmen - am Freitag ist in der Special-Reihe der Sechsstünder "Dau. Degeneration" zu sehen - sei das Projekt nun gewissermaßen in die konventionelle Welt umgezogen.

Das Team von "Dau. Natasha" (v.l.): Produzent Philipp Bober, Kameramann Jürgen Jürges, Produzentin Susanne Marian, Regisseur Ilya Khrzhanovskiy, die Darstellerinnen Natalia Berezhnaya und Olga Shkabarnya and Regisseurin Jekaterina Oertel.
Das Team von "Dau. Natasha" (v.l.): Produzent Philipp Bober, Kameramann Jürgen Jürges, Produzentin Susanne Marian, Regisseur Ilya Khrzhanovskiy, die Darstellerinnen Natalia Berezhnaya und Olga Shkabarnya and Regisseurin Jekaterina Oertel.

© REUTERS/Annegret Hilse

Ko-Regisseurin Jekaterina Oertel sagt, sie habe bei sechs weiteren Dau-Filmen mitgewirkt. "Die sehen sie hoffentlich im Lauf des Jahres", auf anderen Festivals, ebenfalls in der konventionellen Welt. Auch die Pressekonferenz in Berlin sprengt nicht den gewöhnlichen Rahmen: keine empörten Proteste, hier und da eine kritische Nachfrage. Manchmal ist es gut, wenn Skandale sich von selbst entschärfen.
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