zum Hauptinhalt

Art Karlsruhe: Ein Fest für Sammler und Publikum

Kunst für alle: Die Art Karlsruhe hat sich endgültig als wichtige deutsche Messe etabliert. Dieses Jahr nahmen 215 Galerie aus 15 Ländern teil.

Die MiG 21 ist der Blickfang: Der Berliner Galerist Michael Schultz hat den Kampfjet zusammen mit zwei halb zertrümmerten Cadillacs auf die 15. Ausgabe der Kunstmesse Art Karlsruhe geholt. Das Flugzeug und die Luxuskarossen sind Teil einer Crash-Installation von Bernd Reiters, die der Künstler „Ironie des Schicksals“ nennt. Der Titel trieft vor bitterer Ironie. Denn in die Flanken der ausgemusterten Maschine sind Flachbildschirme montiert, auf denen Dokumentaraufnahmen aus dem Syrien-Krieg laufen. Zu der Installation gehört außerdem ein Schlauchboot, vollgepackt mit 20 Monitoren. Auf ihnen flimmern Bilder von Flüchtlingen, die in Seenot geraten sind.

Reiters Arbeit wurde 2016 bereits in Köln gezeigt. Was ihre humanitären Aspekte anbelangt, ist sie immer noch aktuell, ansonsten haben sie die Tagesereignisse überholt. Reiter inszeniert seine Kunst-Katastrophe als Aufeinanderprallen der beiden Großmächte USA und Russland – mit Putin-Bildern im Cockpit und Aufnahmen vom Weißen Haus in den schwarzen Limousinen. Inzwischen aber ist mit der Türkei mindestens ein weiterer Akteur in diesem Stellvertreterkrieg hinzugetreten.

So politisch wie an diesem Stand ist die Art Karlsruhe selten. Thomas Baumgärtel hat zwar dem türkischen Präsidenten Recep Ayyip Erdogan eine gelben Tropenfrucht, das Markenzeichen des „Bananensprayers“ in den Anus gesteckt (Neue Kunst Gallery Karlsruhe). Doch das fällt eigentlich in die Kategorie Deko, ähnlich wie die Kunststoffartikel von Otmar Hörl, der sein umfangreiches Plastik-Repertoire an Dürer-Hasen, Karl-Marx-Köpfen und anderen abgussfähigen Objekten um den Schwarzspecht „Zorro“ erweitert hat. Jetzt ziert der Vogel in vervielfältigter Version zusammen mit locker hingepinselten Malereien, die unter dem Stichwort „Naturschauspiel“ firmieren, eine Wand der Galerie Abtart aus Stuttgart.

Anfangs war die Skepsis groß

215 Galerien aus 15 Ländern breiten bis einschließlich Sonntag in vier Hallen ihr Angebot aus. Die Mischung ist in mehrfachem Sinn bunt und erstreckt sich zeitlich von der klassischen Moderne bis in die unmittelbare Gegenwart, preislich von einem Euro für Postkarten am Stand der Edition Staeck bis zu 3,7 Millionen Euro für eine „Sängerin am Piano“ von Ernst Ludwig Kirchner, die Henze & Ketterer zum Verkauf bereit hält. Neben diesem Hochkaräter der Schweizer Galerie, die zum Ausstellerstamm der Art Karlsruhe gehört, nimmt sich der Preis für Bernd Reiters MiG-Cadillac-Kombi bei Michael Schultz wie ein Schnäppchen aus: Sie soll 1,5 Millionen Euro kosten. Dass Schultz überhaupt an der Karlsruher Kunstmesse teilnimmt, sei nicht zuletzt der Verbundenheit mit Ewald Karl Schrade zu verdanken, erzählen Insider. Schrade, seit über 40 Jahren als Galerist unterwegs, ist nicht nur bestens vernetzt – er verfügt auch über den nötigen Enthusiasmus, damit die von ihm vor 15 Jahren konzipierte und initiierte Art in Schwung bleibt. Als er 2003 seine Pläne vorstellte und 2004 erstmals mit der Messe antrat, war die Skepsis groß, die Teilnahme gering. Längst ist die Nachfrage groß genug, dass ein Beirat über die Zulassung zur Art Karlsruhe entscheidet.

Zu denen, die ihre langjährige Zurückhaltung aufgegeben haben, gehören die Galerie Meyer Riegger, die unter anderem mit sexuell konnotierten Malereien von Miriam Cahn voll glühender Farbigkeit antreten. Thomas Riegger, einer der Gründer der Galerie, lobt die Möglichkeit, inmitten der manchmal arg banalen Bilderfülle Entdeckungen zu machen, mahnt aber zugleich ein Profil an, das noch stärker auf relevante Positionen setzt. Er und sein Compagnon Jochen Meyer haben diesen Anspruch für sich dadurch untermauert, dass sie neben ihrem Karlsruher Haupthaus eine Dependance in Berlin betreiben – ein Modell der Zweigleisigkeit, dass umgekehrt auch die Berliner Galerie Burster betreibt, die seit Kurzem in Karlsruhe eine Zweigstelle hat und auf der Messe vor allem durch eine Soloschau des viel beachteten Newcomers Axel Feuerstein auffällt.

Nirgendwo ist die Sammlerdichte so hoch

Auch wenn er es so nicht sagt: Hinter Rieggers Bemerkung steht die Sorge, die Art Karlsruhe könne sich langfristig zu einer regionalen Nabelschau entwickeln. Ein solcher Verdacht wäre einerseits unbegründet, denn der Beirat ist allemal bemüht, internationale Galerien wie Arnoux aus Paris, L'Ariete aus Bologna oder Gilden's Arts aus London nach Baden zu holen. Andererseits gilt die Karlsruher Veranstaltung auch als eine Art Volksmesse. Die Art Karlsruhe hat sich im allgemeinen Bewusstsein als temporäres Museum etabliert, das zusätzlich zu den Beiträgen der Galerien mit Sonderschauen – in diesem Jahr ist das eine elegante Auswahl an Werken aus der Sammlung Frieder Burda – lockt und regelmäßig an die 50 000 Besucherinnen und Besucher anzieht. Daneben hat sie nach wie vor einen enormen Standortvorteil: Nirgendwo sonst in der Bundesrepublik ist die Sammlerdichte so hoch und gibt es so viele Privatmuseen mit zeitgenössischer Kunst wie im deutschen Südwesten.

Michael Hübl

Zur Startseite