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Berlins Museum für Kunst der Gegenwart, der Hamburger Bahnhof.

© Staatliche Museen zu Berlin / Thomas Bruns, 2018

„Art 4 all“ im Hamburger Bahnhof: So kommt die Kunst unters Volk

Erfolgsmodell: Die Initiative „Art 4 all“ ermöglicht jeden ersten Donnerstag im Monat den freien Eintritt in den Hamburger Bahnhof.

Knapp 200 Stühle stehen im Raum, das sollte reichen. Am Ende wird zum Sitzen dazugeholt, was sich im Hamburger Bahnhof sonst noch anbietet – und es ist trotzdem nicht genug. So viele wollen Norbert Bisky und Andreas Mühe sehen, dass man sich wie in einem überfüllten Hörsaal fühlt. Besucher sitzen auf dem Boden, stehen und hören zu, wie beide Künstler „Identität im fotografischen wie im malerischen Bild und Konstellationen von Familie“ verhandeln: zutiefst persönlich, durchaus gespalten.

Moderatorin Khuê Pham lässt nicht locker, befragt Mühe nach den Erinnerungen seiner Kindheit und versucht Bisky als Sohn des PDS-Politikers Lothar Bisky Anekdoten zu entlocken, die der Maler verweigert. Mühes Familiengeschichte offenbart sich dagegen in den benachbarten Räumen. Seine Ausstellung „Mischpoche“ mit Fotografien von lebenden oder in Silikon wiederauferstandenen verstorbenen Verwandten wurde gerade erst im Hamburger Bahnhof eröffnet.

Dass niemand an diesem Abend den beträchtlichen Eintritt von 14 Euro für Schau und Talk bezahlen musste – und zusätzlich die parallele Ausstellung über Emil Nolde besuchen konnte –, verdankt sich der Initiative „Art 4 all“. Gesponsert wird sie von Volkswagen, seit April 2018 ermöglicht sie jeden ersten Donnerstag im Monat den Besuch des Museums bei freiem Eintritt und bietet ein zusätzliches Special; diesmal den Talk zwischen Bisky und Mühe. Ursprünglich wollte das Unternehmen die Veranstaltung ein Jahr lang finanzieren. Nach einer ersten Bilanz bleibt die Kooperation nun bis Ende 2020 bestehen. Und wer das Haus nur einmal an einem dieser Donnerstage besucht, der versteht sofort den Grund.

Berlin spielt eine Nummer kleiner

„Art 4 all“, das ist ein bisschen wie Centre Pompidou und Tate Modern – auch wenn der Hamburger Bahnhof weder architektonisch noch von den Zahlen der Besucher her mithalten kann. Es geht um etwas anderes. Tate Modern, das sind die spektakuläre Turbinenhalle und die Säle der ständigen Sammlung: immer full house, weil in London freier Eintritt gilt. Centre Pompidou, das ist junges, studentisches Leben rund um den stählernen Bau – und bis spät in den Abend auch drinnen, weil die öffentliche Bibliothek ebenfalls in dieser brodelnden Kulturmaschine angesiedelt ist.

Berlin spielt eine Nummer kleiner. Aber auch hier belebt sich der Garten vor dem Hamburger Bahnhof zu „Art 4 all“ sichtlich, im Foyer schwirrt es nur so und im Haus selbst begegnet man ab 16 Uhr Kunstgängern aller Generationen, die sich den Eintritt sonst nicht leisten können. Oder wollen. Aber was macht das schon? Berlins Museen sind öffentliche Häuser, mit Steuern finanziert. Würde man sich einmal mit Monat mit einem halben Tag bei freiem Eintritt dafür bedanken: Die Kunst käme unter die Leute. Wie das auch beim Humboldt Forum diskutiert wird. Museen würden sich füllen, die Besucher beim nächsten Mal vielleicht zahlen. „Art 4 all“ war als temporäres Experiment gedacht. Inzwischen ist es nicht mehr wegzudenken. Der Erfolg hat eine neue Institution geschaffen.

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