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Die Sängerin Jennifer Walshe und das Arditti Quartett.

© Kai Bienert

Arditti Quartett bei Maerzmusik: Raumdehnung

Das Arditti Quartett spielt mit der irischen Stimmakrobatin Jennifer Walshe beim Festival Maerzmusik. Eine virtuose oft komisch überdrehte Darbietung.

Als „Festival für Zeitfragen“ macht sich Maerzmusik auch an die Überprüfung musikalischer Traditionen. Das Streichquartett als „Krone“ der Kompositionskunst fordert besonders dazu heraus. So präsentieren sich im Haus der Berliner Festspiele drei Alternativ-Versuche, weitgehend getragen vom grandiosen Arditti-Quartett. In völliger Dunkelheit lässt Georg Friedrich Haas sein Streichquartett Nr. 10 spielen – eine Vorliebe des Komponisten, für den Licht und Dunkelheit Extremsituationen mit entsprechenden Auswirkungen auf die Qualität des Hörens sind. Tatsächlich scheint sich der Raum in zarten Glissandi erst zu verflüchtigen, später in rhythmisch zugespitzten Repetitionen zusammenzuziehen. Doch irgendwann richtet sich die Wahrnehmung wieder auf die Komposition selbst, die mit ihren stufenlos den Klangraum auslotenden Bewegungen ein wenig amorph wirkt – bei aller bewundernswerter Präzision der Musiker.

Die Fantasie, bei Haas nach innen gerichtet, stülpt Jennifer Walshe nach außen: „Everything is Important“ heißt das 2016 entstandene Werk der irischen Stimmakrobatin, in dem die Ardittis alte und neue Hintergrundklänge, aber auch mal freche „USA“-Rufe oder massakrierende Gesten mit dem Geigenbogen beisteuern dürfen. Dazu flimmern Bilder über die Leinwand – von Medikamentenschachteln, abstrusen Schminkaktionen oder zerfallenden Städten. Walshe liefert dazu den bekannten Stimmmix von gefährlichem Knurren über parodistisches Gesangspathos zu kleinmädchenhaftem Zwitschern, zweifellos virtuos und oft komisch überdreht. Starken Applaus findet die unterhaltsame Darbietung, in der die diesjährigen Festivalthemen Umweltzerstörung und soziale Ungleichheit als Versatzstücke von Videoclips daherkommen

Streichquartett ist hier nur Beiwerk. Vielleicht ist es konsequenter, es da gleich ganz verstummen zu lassen. Peter Ablinger wandelt in seinem vierminütigen 2. Streichquartett auf den Spuren von John Cages „4’33“. Sein Video zeigt vier kopftuchumhüllte junge Frauen unbewegt an ihren Instrumenten in einer Oase der iranischen Wüste. Hätten sie auch gespielt, wäre diese Betrachtung der „kulturellen und genderspezifischen Geschichte“ des Streichquartetts nicht nur komisch, sondern ein Akt der Veränderung gewesen.

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