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Die Architekten Minka Kersten und Andreas Kopp haben sich auf Gebäude für junge Menschen spezialisiert.

© Doris Spiekermann-Klaas

Architekturpreis 2016 - Berlins beste Bauten: Auf Holz gebaut

Im Lichtenberger Kinder- und Jugendhaus kann gespielt und gelernt werden – ökologisch korrekt und mit vielen kreativen Ideen zur Raumnutzung.

Warum das Gebäude „Holzhaus“ genannt wird, ist sofort klar: Viel Holz, viel Licht, viel Grün dominieren den Neubau in der Gotlindestraße, Ecke Siegfriedstraße in Lichtenberg, in dem die Kinder- und Jugendeinrichtung, kurz KJF Lichtenberg, untergebracht ist. „Außerdem haben wir das Haus so gebaut, dass keiner der Bäume auf dem Grundstück gefällt werden musste“, sagt Minka Kersten. Die Architektin, die zusammen mit ihrem Mann Andreas Kopp das Architekturbüro Kersten + Kopp leitet, hat das Gebäude entworfen, das Kinder und Jugendliche nachmittags zum Spielen, Toben, Hausaufgabenmachen und Rumhängen nutzen. Damit sich die unterschiedlichen Altersgruppen nicht in die Quere kommen, ist das Gebäude zweigeteilt: Der rechte Flügel ist Aufenthaltsort für die Sechs- bis Zwölfjährigen, der linke für die Älteren.

„Und in der Mitte treffen sich alle“, sagt Christiane Wildner, Mitarbeiterin des Bezirksamts Lichtenberg, Abteilung Jugend und Gesundheit, und stellvertretend für ihren Arbeitgeber Bauherrin des Projekts. Die Mitte, das ist der Gebäudeteil mit großer Glasfront zu Vorder- und Rückseite, in dem an diesem Vormittag die Tischtennisplatte beiseitegeschoben wird, damit die Seniorinnengruppe ihren Gymnastikkurs abhalten kann. Außerdem finden Arbeitsgruppen und Yoga-Kurse statt. „Überhaupt werden die Räume noch viel mehr als erhofft auch von anderen Kiezbewohnern genutzt“, sagt Kersten.

Holz altert besser, ist kostenneutral und ökologischer

Offen für alle – das sollte die Einrichtung auch optisch sein. „Wir wollten, dass das Gebäude und was darin und drumherum passiert, auch im Straßenraum sichtbar ist“, sagt Architektin Kersten. An einer Schnittstelle zwischen Gewerbe- und Wohngebiet liegt das Grundstück mit Obstbäumen, Linden und Kastanien. Das helle Holz der Baumstämme findet sich in der Farbe der Außenwände wieder, deren lasierte Lärchenholzlatten leicht silbrig schimmern. „Durch die Lasur verändern sie auch mit der Zeit kaum ihre Farbe“, sagt Andreas Kopp. „Holz altert besser als weiß gestrichene Wände.“ Vor allem in einer Einrichtung für Kinder und Jugendliche, wo Gebrauchsspuren vorprogrammiert sind. Leider sei die Skepsis der Holzbauweise gegenüber noch sehr groß, laut Kopp zu Unrecht: „Holz hat eine viel bessere Kohlendioxid-Bilanz, ist kostenneutral und man kann sehr viel schneller bauen.“ Bis auf die Bodenplatte aus Beton wurde nur Holz verwendet; sogar die Dachplatten bestehen aus Holzhohlkastenelementen.

Holz, Hell, Grün – der Dreiklang findet sich überall im Kinder- und Jugendhaus Lichtenberg.
Holz, Hell, Grün – der Dreiklang findet sich überall im Kinder- und Jugendhaus Lichtenberg.

© Doris Spiekermann-Klaas

Innen setzt sich der Dreiklang Holz, Hell, Grün fort. Hier sind die Wände aus Fichtenholz, die quietschgrünen Fußböden bilden durch die großzügigen, zum Teil bis zum Boden reichenden Fensterfronten eine optische Verlängerung des Rasens. Auch wenn dessen Grün jetzt noch nicht so kräftig leuchtet, weil das Gras gerade erst ausgesät wurde. Die Küchenzeile mit frei stehendem Tresen steht im vorderen Teil des Jugendbereichs. In der Mitte stehen Stühle um einen großen Esstisch; die zwei Sofas in den Ecken hat Kersten so entworfen, dass sie genau in die Ecken des polygonalen Baus passen. Vom Hauptraum gehen ein Sportraum und ein Billardzimmer ab, wo neben dem Billardtisch auch ein Spieleautomat und ein Fernseher Platz gefunden haben; nach Norden hin gibt es kleinere Räume für Büros und Hausaufgabenhilfe.

Flure gibt es nicht. Jede Fläche wird für unterschiedliche Zwecke genutzt.
Flure gibt es nicht. Jede Fläche wird für unterschiedliche Zwecke genutzt.

© Doris Spiekermann-Klaas

Auf Flure wurde verzichtet, so gibt es eine größere Nutzfläche

Auffällig ist, dass es kaum Verkehrswege gibt, auf Flure wurde verzichtet. „Das war auch eine Budgetfrage“, sagt Andreas Kopp, der sich primär ums Organisatorische, um Kosten und Termine kümmert. „Deshalb war unser Ansatz, möglichst viel Nutzfläche entstehen zu lassen.“ Das gilt auch für den Kinderbereich, der aus zwei Haupträumen besteht, einer zum Lesen und Spielen, einer, mit bunten Matten ausgelegt, zum Toben. Das Besondere hier ist die zweite Etage. Die grünen Treppenstufen dienen zugleich als Kinositze, denn die Treppe ist so angelegt, dass auf die Wandfläche gegenüber Filme projiziert werden können. Der eigentliche Grund für die obere Etage ist aber die Mauer, die entlang der Hinterseite des Grundstücks verläuft und die Sicht auf das angrenzende Straßenbahndepot der BVG versperrt. „Wir fanden es schade, dass die Kinder auf die Mauer hätten gucken müssen“, sagt Kersten. Jetzt können die Kleinen durch das auf Fußbodenhöhe eingesetzte Fenster von oben den Schienenbetrieb beobachten. Und auch draußen soll aus der Not eine Tugend werden: Hier sind Street-Art-Aktionen und Malwettbewerbe an der Mauer geplant.

Im Garten sollen Hochbeete, ein Volleyballfeld und ein Bolzplatz entstehen.
Im Garten sollen Hochbeete, ein Volleyballfeld und ein Bolzplatz entstehen.

© Werner Huthmacher

Die Verbindung von bestehenden Gegebenheiten mit dem Neubau, von innen und außen, ist konsequent umgesetzt. Etwa dort, wo sich das Dach nach unten neigt, um den Ästen einer Kastanie auszuweichen. An allen Seiten befinden sich Türen ins Freie. Die Fensterbänke an den bodentiefen Glasfronten sind so breit, dass sie als zusätzliche Sitzbänke auch für die Kleineren dienen. Im Garten sollen Hochbeete, ein Volleyballfeld und ein Bolzplatz entstehen. „Die Kinder und Jugendlichen durften viel mitreden“, sagt Bezirksamtsmitarbeiterin Wagner. Wenn erst das Nachbargrundstück vom Schutt der alten Jugendeinrichtung befreit ist, vergrößert sich das Areal auf insgesamt fast 5400 Quadratmeter. Das Büro Kersten + Kopp ist auf Gebäude für Kinder und Jugendliche spezialisiert. Ihr Entwurf gewann, obwohl er wegen seiner länglichen, polygonalen Form – an der niedrigsten Stelle zwei, an der höchsten knapp sieben Meter hoch –, einer der ungewöhnlicheren gewesen sein dürfte. Oder gerade deswegen.

Seit November 2015 sind die Bauarbeiten beendet. Aber so richtig fertig ist hier alles erst, wenn auch die Gartenplaner ihr Werk vollbracht haben. Dann heißt es: noch mehr Holz, noch mehr Grün, und – wenn erst mal die Sommersonne scheint – noch mehr Licht.

Weitere Kandidaten für den Architekturpreis Berlin 2016 finden Sie hier.

STIMMEN SIE AB!

Der Architekturpreis Berlin 2016 prämiert Bauten, die kürzlich in Berlin fertiggestellt wurden. Der Preis ist deshalb eine Leistungsschau des guten Bauens. In Kooperation mit dem Verein „Architekturpreis Berlin“ präsentiert der Tagesspiegel in einer Serie zahlreiche Bewerbungen. Wir zeigen, welche architektonische Vielfalt möglich ist und was Bauherren mit Anspruch leisten können.

Sie sind gefragt – bei der Vergabe des Publikumspreises. Unter www.tagesspiegel.de/Architekturpreis können Sie sich in der interaktiven Landkarte bei jedem Projekt einklicken und dann alle Bewerbungen mit weiteren Informationen und Fotos anschauen. Abstimmen können Sie bis 16. Mai. Eine Anmeldung ist nur für die Stimmabgabe nötig.

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