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Ein Besucher geht durch die Ausstellung «Svizzera 240» im Schweizer Pavillon, den diesjährigen Gewinner des „Goldenen Löwen“.

© Foto: Lena Klimkeit/dpa

Architekturbiennale: In Venedig siegt die Gedankenlosigkeit

Der Schweizer Pavillon hat den „Goldenen Löwen“ bei der Architekturbiennale gewonnen. Über diese Auswahl lässt sich nur wundern. Ein Kommentar.

Das Schweizer Fernsehen freute sich. Der „Goldene Löwe“ der Architekturbiennale Venedig für den Schweizer Pavillon war einen Bericht in der Hauptnachrichtensendung wert. Es gab einen Schwenk über die Ballungsplätze Venedigs – „jährlich von 20 Millionen Touristen überschwemmt“ – und, Schnitt, über die gleichermaßen besucherstarken Giardini, den Schauplatz der Nationenbeiträge:  „Gleich rechts am Eingang der Preisträger ...“

Die Freude sei der Schweiz gegönnt, die – das sei ausdrücklich betont – seit Jahrzehnten mit bemerkenswerter Baukunst aufwartet. Vielleicht sollte die diesjährige Löwen-Ehrung eine Verneigung in diese Richtung sein. Nur der Preisträger, der Beitrag „Svizzera 240: House Tour“, segelt geradewegs unter der Messlatte hindurch, wie tief man sie auch anlegt.

Eine Mietwohnungseinrichtung in drei Größen

Denn es ist ein hübscher Gag, den Pavillon mit Teilen einer typischen Mietwohnungseinrichtung in drei verschiedenen Größen zu möblieren, sodass der Besucher diese Wohnung mal als der betritt, der er ist, mal als Riese und mal – größter Spaß – als Kleinkind, das kaum die Türklinke erreichen kann und schon gar nicht die Fenstergriffe. Haben wir da gelacht!

Gelacht hat offenbar auch die Jury und diesem Schaubuden-Gag den „Goldenen Löwen“ spendiert. Als ob es keine ernsthaften Anwärter gegeben hätte. Wie den ägyptischen Beitrag, der sich mit den stadträumlichen Wirkungen informeller Strukturen, notabene der Straßenhändler befasst, aber auf sinnlich-poetische, auf eine ästhetisch hinreißende Weise.

Israels und Englands Beiträge sind um einiges klüger gewesen

Oder, wahrlich ein Kernproblem unserer Tage ansprechend, der Beitrag Israels, der die Konflikte der Religionen anhand der Architektur dreier Stätten veranschaulicht, um die auf geradezu abstruse Weise gerungen wird: die Grabeskirche in Jerusalem, die Patriarchengräber in Hebron und der Tempelberg, zu dessen Fuß sich die Altstadt Jerusalems ausbreitet. Das ist so klug, so durchdacht, dabei so zurückhaltend und bar jeder Engstirnigkeit dargestellt, dass man, auch ohne je in der heilig-unheiligen Stadt gewesen zu sein, eine Ahnung bekommt, wie konkret und kleinlich, aber auch wie menschlich-allzumenschlich der abstrakte clash of civilisations, dieser schier unlösbare Kampf der Religionen tatsächlich ist.

Eine „besondere Erwähnung“ war der Jury übrigens der Britische Pavillon wert. Der ist vollständig leer und stattdessen von einer Freiluftterrasse überbaut, und da er als „Insel“ firmiert, versteht das jeder Klippschüler sogleich als Anspielung auf Brexit und drohende Isolation. Auf diesem Niveau hat sich die Jury bewegt.

Die Architekturbiennale, vor Jahren eher ein Fachtreffen, hat sich zum Publikumsevent ausgeweitet, das genauso überrollt wird wie in den alternierenden Jahren das Spektakel der Kunst-Biennale. Jeder Beitrag, der sich nicht binnen zehn Sekunden selbst erklärt, hat’s schwer. Ein Jammer, dass die Jury diesem Trend zur Eventisierung gedankenlos Futter gibt.

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