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Dieses Foto der Tierversuchslaboratorien erschien in einer Magazin-Reportage.

© Georg Fischer

Architektur-Ikone Mäusebunker: Der Kampf für Berlins grauenerregendstes Gebäude

Das Hygieneinstitut bleibt, der Mäusebunker hat eine ungewisse Zukunft. Dabei gibt es schon Ideen für seine Nutzung.

Von Jonas Bickelmann

Eins wäre schon mal bewiesen: Öffentlicher Druck kann das Stadtbild verändern. Die weniger umstrittene von zwei Nachkriegs-Architektur-Ikonen der Charité in Lichterfelde wird auf jeden Fall bleiben. Das Hygieneinstitut der Architekten Fehling und Gogel soll auch in Zukunft von der Universitätsmedizin genutzt werden.

Die hervorragende Erhaltung dieser architektonischen „Zeitkapsel“ mit ihren bis zum Treppengeländer durchdachten Details, die Qualität des Materials, die große Geste der Innenraumgestaltung, all das lobten Architektinnen und Vertreter der Charité bei einer Debatte über die Zukunft von Hygieneinstitut und Mäusebunker am vergangenen Dienstag. „Es wurde nie kaputtsaniert“, wie Ludwig Heimbach sagt, Architekt und engagierter Befürworter der Erhaltung.

Lange standen sich die zwei Gruppen, Charité und Architekturszene, misstrauisch gegenüber: Noch vor einigen Jahren stellte die Charité eine Abrissanzeige, wie sich der Galerist Johann König erinnert, und zwar für beide Bauten.

Ein Architektekenmodell des Hygieneinstituts.
Ein Architektekenmodell des Hygieneinstituts.

© Nachlass Gogel

Mehr als 7000 Menschen unterschrieben eine Petition zur Rettung des Mäusebunkers. Als die Beseitigungsanzeige gestellt wurde, habe sich allerdings niemand aufgeregt, ist aus Kreisen der Charité zu hören.

[Verlängert bis zum 22. Oktober: Ausstellung zu Hygieneinstitut und Mäusebunker in der BDA-Galerie Berlin]

Heute sagt auch der Charité-Dekan Axel Radlach Pries, das Hygieneinstitut sei ein „absolut tolles Gebäude“. Bald wird sich entscheiden, ob auch der Mäusebunker eine Zukunft hat. Nur ist die Liebe für diesen nicht so verbreitet: Ist das nicht einfach ein grausam hässliches Gebäude? Immer wieder scheint diese Frage bei der Diskussion in der Luft zu liegen, ohne dass die Podiumsgäste sie offen aussprechen.

Traum aus Beton

Der Mäusebunker am Lichterfelder Hindenburgdamm
Der Mäusebunker am Lichterfelder Hindenburgdamm

© Kay Fingerle

Von einem „Beton gewordenen Alptraum“ spricht Pries. International wird das leerstehende Laborzentrum der Architekten Gerd und Magdalena Hänska hingegen als Meistwerk sogenannter „brutalistischer“ Architektur geschätzt, die nicht etwa wegen ihrer massiven Formen, sondern wegen des rohen Betons (französisch „beton brut“) so heißt. Ein Meisterwerk muss eben nicht gefällig sein.

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Vorlesungssaal des Hygieneinstituts
Vorlesungssaal des Hygieneinstituts

© Kay Fingerle

Wie Berlins oberster Denkmalschützer Christoph Rauhut nach einigem Hin und Her in der Debatte schließlich sagt, gehe es vor allem um eine Frage: „Ist der Mäusebunker ein wichtiges Gebäude der Architekturgeschichte?“ Da sind sich dann alle einig: Einzigartig ist er. Daher hat der Berliner Denkmalrat ihn auch unter Schutz gestellt. Aber sicher ist das Gebäude damit noch lange nicht. Er sollte eigentlich im Dritten Quartal 2020 abgerissen werden – aber das ist nicht geschehen.

Die Geldfrage

Auch Charité-Dekan Pries sagt aber heute, dass er sich eine Zukunft mit dem Mäusebunker vorstellen kann, „wenn Geld keine Rolle spielt.“ Auf dem Gelände plant die Charité einen Forschungscampus. Tierlaboratorien gibt es an diesem Standort nicht länger. Der Mäusebunker ist ein so spezielles Gebäude, das eine neue Nutzung für die Universitätsmedizin teuer würde: Kaum Tageslicht fällt ein, die Räume sind sehr klein, die Wände sehr dick. Und es ist asbestbelastet.

Nicht nur von außen wirkt der Mäusebunker wie ein Raumschiff.
Nicht nur von außen wirkt der Mäusebunker wie ein Raumschiff.

© Kay Fingerle

Der Mediziner erklärt, dass bei Charité-Bauten schmerzhaft gespart werden müsse. Kultursenator Klaus Lederer sieht aber im Videogrußwort trotzdem eine Chance für die Bauten. Dazu passt auch, dass die Charité sich vorstellen kann, auf der anderen Seite des Teltow-Kanals zu bauen. Eine Brücke könnte beide Teile verbinden. Damit wäre es nicht ausgeschlossen, dass der Mäusebunker bleibt, aber von anderen genutzt wird.

Der König-Brandlhuber-Vorschlag könnte die Rettung sein

Diese anderen könnten Galerist Johann König und Architekt Arno Brandlhuber sein. Die beiden wollen aus dem Mäusebunker ein Kulturzentrum machen. „Gemeinwohlorientiert“ soll das organisiert werden – also nicht in erster Linie mit Profitinteresse. Wie König beim Umtrunk nach der Veranstaltung sagt, wäre er bereit, den Mäusebunker dafür zu kaufen. Dafür müsste die Charité das Gebäude dem Land Berlin zurückgeben, dem es ohnehin gehört – die Uni-Klinik ist nur Nutzer der Liegenschaft.

Räume im Inneren des Mäusebunkers
Räume im Inneren des Mäusebunkers

© Kay Fingerle

König und Brandlhuber haben schon einmal einen Brutalismusbau gerettet. 2012 erwarb König per Erbbaupacht die ehemalige Kirche St. Agnes von Werner Düttmann in der Kreuzberger Alexandrinenstraße. Auch bei St. Agnes war der Abriss angedacht, Kirche und Land hatten kein Konzept für den Sakralbau. Für den behutsamen Umbau bekamen König und Brandlhuber Auszeichnungen.

Charité-Bauchef Jochen Brinkmann verweist darauf, dass es jetzt erst einen Ideenwettbewerb gibt. Das Ergebnis wolle man abwarten. Aber immerhin: Die beiden Seiten reden miteinander. Das ist eine gute Nachricht für Berlins geliebtestes Horrorhaus.

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