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Archäologie: Römische Stadt unter Bonn

Bonner Archäologen sind sensationelle Einblicke in die Antike gelungen: Seit Mai buddeln sie im freigelegten ehemaligen Regierungsviertel nach den Überresten eines römischen "vicus".

Bonn - Dabei handelt es sich um eine zivile Siedlung, die von den Römern vor 2000 Jahren in "Castra Bonnensia" angelegt wurde. "Wir haben weit mehr gefunden, als wir überhaupt erwartet hatten. So hat sich für uns noch nie das Leben der römischen Bürger am Rhein präsentiert", verkündete der Leiter des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege. Jürgen Kunow, bei der Vorstellung der Funde.

Als eines der herausragenden gefundenen Stücke zeigte Kunow vor den Journalisten einen Schmuck für Frauen, eine fünf Zentimeter lange Haarnadel aus Knochenmaterial mit einem kleinen Menschenkopf an der Spitze. Es sei in dieser Ausführung bisher ein "einmaliger Fund in Deutschland", berichtete der Wissenschaftler.

Wissenschaftler haben freie Hand

Die günstige Gelegenheit für die Aufsehen erregenden archäologischen Entdeckungen hat sich durch den weiteren Ausbau Bonns zum deutschen Standort der Vereinten Nationen ergeben. Bagger haben für den Bau des großen UN-Kongresszentrums eine Fläche so groß wie vier Fußballfelder freigeschaufelt. Für ein halbes Jahr bis zum Baubeginn des Zentrums im Oktober haben die Wissenschaftler freie Hand zum Schaufeln nach den Überresten des "vicus".

Im Jahre 13 vor Christus hatte Kaiser Augustus seinem Sohn Drusus den Befehl gegeben, 50 Kastelle am Rhein entlang zu errichten. Den Legionären folgten die Siedler, die sich auch in Bonn mit Handwerkern, Händlern und Künstlern niederließen. Sie lebten getrennt von den Soldaten, deren Lager sich nach den Erkenntnissen in der jetzigen Bonner Altstadt befand.

Zeugen römischer Lebensart

Die Archäologen fanden in dem "vicus" die Zeugen von Steinbauten und von römischer Lebensart, die auch, wie es Kunow formulierte, "jedem Germanen auf der anderen Rheinseite demonstrierten, welche zivilisatorische Kraft hinter römischer Urbanität steht". Beheizte Thermen, Ziegelbrennöfen, Geschäfte und Häuser zur Begegnung der Bürger zeichneten den "vicus" aus.

Zur eigenen Überraschung stießen die Wissenschaftler sogar auf einen kleineren Tempel und die Reste einer rätselhaften "monumentalen Anlage" von wahrscheinlich zwei Stockwerken. Durch die Siedlung zog sich eine längere Wasserleitung.

"Benutze dieses Gefäß glücklich"

Zu den entdeckten Prunkstücken gehören Küchengeschirr, Gefäße und ein Becher aus dem dritten Jahrtausend mit der Aufschrift - übersetzt aus dem Lateinischen: "Benutze dieses Gefäß glücklich." Ein gut erhaltener Teller aus Ton trägt einen Fabrikationsstempel und den Namen des Töpfers "Vitalis". Eine Bronzemünze trägt den Kopf von Kaiser Hadrian.

Peter Henrich, einer der Wissenschaftler, berichtete von der guten "Ausbeute" der Latrinen und Müllhalden. "Daraus können wir genaue Erkenntnisse über die Ernährungsgewohnheiten der Römer gewinnen." Mit Stolz zeigte Henrich auch den Kopf eines Jünglings aus Terrakotta und einen Bronzeanhänger in Form eines Adlers. Ein Stück einer Schale ziert eine erotische Szene mit vier Menschen. "Nicht jugendfrei", meinte Henrich.

Aber auch auf "nichtantike" Überreste stießen die Archäologen bei ihren Grabungen. Sie fanden einen Stahlhelm der Wehrmacht und der US-Armee. Aus der Nachkriegszeit stammt eine einst unter die Erde gekommene gut erhaltene Schachtel mit der Aufschrift: "Propagandamaterial" der CDU, 15. September 1957. Sogar eine Lautsprecheranlage des Bundestages wurde ausgegraben, mit der Abgeordnete damals zur Abstimmung gerufen wurden. (tso/ddp)

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