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Kopflos. Aquarell „o.T. (the mechanic)“ von Achim Riethmann.

© Galerie Russi Klenner

Aquarelle von Achim Riethmann: Pure Form, reine Pose

„Köpfe lasse ich tendenziell weg“: Der Berliner Maler Achim Riethmann präsentiert in der Galerie Russi Klenner seine neuesten Aquarelle.

Achim Riethmann hat ganz in der Nähe von Russi Klenners Kreuzberger Galerie sein Atelier. Im Kellergeschoss eines Altbaus tritt man in eine weiße Welt, die auf den ersten Blick nichts von der alternativen Szene rund um die Oranienstraße in sich trägt. Riethmanns Bilder auf weißem Grund sind detaillierte Aquarellgemälde, die durch Frakturen und Einschnitte Gesichter verbergen und Linien ziehen.

Sein riesiges, neunteiliges Aquarell „ATLAS (CERN)“ aus diesem Jahr (20 000 Euro) ist durch die gerüstartigen Auslassungen eine abstrahierte Abbildung des Teilchendetektors im europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf. Es ist auch titelgebend für die neue Ausstellung bei Klenner und beeindruckt durch seine Präzision und Ruhe. Ohne Menschen stehen hier die Technik und das damit erkundete Wissen für sich. Genau das hat Riethmann daran interessiert: „Atlas dient der reinen Forschung und dem globalen Wissen – da gibt es keine Hintergedanken. Außerdem ist es ein multinationales Projekt, das der Vernetzung der Welt entspringt.“

Als Schüler wollte der in England geborene und in Berlin aufgewachsene Künstler zunächst Medizin oder Mathematik studieren. Da er aber schon immer zeichnete, ging er für ein Kunststudium nach Cornwall ins Heimatland des Vaters. Danach studierte er in Berlin an der UdK bei Leiko Ikemura und fand durch die Malerei einen Weg, seine wissenschaftlichen und künstlerischen Interessen zu verbinden. Während der Studienzeit experimentierte Riethmann mit Installationen, Fotografien und anderen Ausdrucksmöglichkeiten. Seit mehr als zehn Jahren malt er überwiegend in Aquarell: „Das Medium ist stark behaftet mit Kitsch und wird oft als ästhetisierend wahrgenommen. Für mich stellte es sich aber als das direkteste Arbeiten heraus.“

Zwischen Technologie und Menschlichkeit

Die politischen Aspekte in seinen Bildern sind inspiriert von Fotografien aus Magazinen oder Tageszeitungen. Aber auch das persönliche Umfeld beeinflusst Riethmann. In der Reihe „Martins Garten“ gibt es Pflanzenstudien von Mangold oder einer Ringelblume (je 1200 Euro), die der Künstler im Permakulturgarten seines Vaters fotografierte und dann malte. Seine Bildern behandeln außerdem Gentechnik.

Die Zerlegung und Auslassungen in Riethmanns Arbeiten lassen Raum für Interpretationen. „Das Individuum ist in meinen Bildern nicht wichtig. Köpfe lasse ich tendenziell weg. Es geht eher um die Form, Pose und Funktion zum Beispiel der Finger“, beschreibt der Künstler sein Aquarell einer gemalten menschlichen Hand, die von einem roboterartigen Exo-Skelett umgeben ist. Die Reibung der Gegensätze, die in der Exo-Reihe zwischen Technologie und Menschlichkeit aufkommt, ist eine Besonderheit im Werk des Künstlers. Das erkannte auch Galerist Klenner. Stets auf der Suche nach Kunst, die ihn „nicht langweilt“, war er begeistert von Riethmanns spannungsgeladenen Aquarellen. Er wollte ihn unbedingt neben dem politisch motivierten Fotografen Julian Röder oder der imaginativen Malerei von Stefanie Gutheil in seiner Galerie vertreten.

Klenners hartnäckige Anrufe über mehrere Jahre bei Riethmann haben sich gelohnt. Seine Galerie, die im Herbst 2016 eröffnet hat, zeigt mit „ATLAS“ nun die zweite Solo-Ausstellung des Berliner Künstlers.

Galerie Russi Klenner, Luckauer Str. 16; bis 3. 3., Mi bis Fr 12–18Uhr, Sa 11–16 Uhr

Lorina Speder

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