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Antiliberales Poster Girl. Marion Maréchal, die Nichte von Marine Le Pen, nach Jahren als Abgeordnete des Front National heute Direktorin einer von ihr mitbegründeten Privatuniversität, bei der römischen Konferenz zum Nationalkonservatismus am 4. Februar

© Alberto Pizzoli / AFP

Antiliberalismus: Die Dämonen der Demokratie

Die Antiliberalen sind auf dem Vormarsch. Wäre es da nicht gut, die Geschichte ihrer Ideen zu ergründen? Die Linke macht es sich da oft zu einfach.

Von Gregor Dotzauer

In den ersten Februartagen, der Thüringer Parlamentscoup hatte sich noch nicht ereignet, traf in Rom eine Runde von Politikern und Akademikern zusammen, um den Vorzügen des Nationalkonservatismus gegenüber dem Liberalismus nachzuspüren.

Die Internationalität der von der Edmund Burke Foundation in Washington ausgerichteten, unter nationalconservatism.org dokumentierten Konferenz, war insofern beschränkt, als ihr zum dritten Mal kein Deutscher angehörte. Mit Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán, Giorgia Meloni, der Vorsitzenden der vaterländischen Fratelli d’Italia, oder der langjährigen Front-National-Abgeordneten Marion Maréchal waren allerdings würdige europäische Geistesverwandte eingeladen.

Sie alle beschworen, um es mit einem Buchtitel des ebenfalls anwesenden Europapolitikers Ryszard Legutko von der regierenden polnischen PiS-Partei zu sagen, den „Dämon der Demokratie“ (Karolinger Verlag), nämlich die „totalitären Strömungen in liberalen Gesellschaften“.

Wo immer man die Übergänge zwischen einem bürgerlichen Konservatismus und identitären Positionen sehen mag: Hier waren nicht Spinner am Werk, denen man mit einer moralisierenden Igitt-Haltung beikommt – abgesehen davon, dass man mit bekennenden Illiberalen wie Orbán Politik machen muss.

Hier hat man es nicht selten mit einem verqueren, über Jahrzehnte gereiften Antikommunismus zu tun – und einem Menschenbild, das bis zum großen Gegenaufklärer Edmund Burke zurückreicht.

Die Vorgeschichte nationaler Ideologien an der Schwelle zum 20. Jahrhundert hat Fritz Stern schon in seiner Studie „Kulturpessimismus als politische Gefahr“ mitreißend klar dargestellt. Am Beispiel dreier antiliberaler Denker – Paul Lagarde, Julius Langbehn und Arthur Moeller van den Bruck – analysiert er die Elemente eines Antimodernismus, bei dem sich auch die Nazis bedienten.

Ein zeitgenössischer Klassiker ist Volker Weiß’ Buch „Die autoritäre Revolte“ (2017), das den Ideen der Neuen Rechten auch im internationalen Zusammenhang nachgeht. Als handliche Einführung lässt sich nun auch eine Website mit dem sprechenden Namen gegneranalyse.de empfehlen.

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Das vom Berliner Zentrum Liberale Moderne initiierte und von der Bundesregierung geförderte Projekt entwirft ein ideengeschichtliches Pandämonium von 16 äußerst heterogenen Denkern, die im Einzelfall auch höchst ambivalente Figuren sind. Neben dem Staatsrechtler Carl Schmitt gilt dies erst recht für den Anthropologen Arnold Gehlen.

Die Essays – als Paperback unter dem Titel „Das alte Denken der Neuen Rechten – Die langen Linien der antiliberalen Revolte“ bis auf Weiteres gratis unter bestellung@libmod.de – würdigen aber auch Richard Wagner. Während vor der alleinigen braunen Vereinnahmung des Komponisten auf dem Grünen Hügel gewarnt wird, erscheint Botho Strauß als jemand, dessen nachvollziehbar antiliberale Affekte in den frühen Theaterstücken allmählich in etwas Ungesundes umgeschlagen seien.

In Gestalt des ägyptischen Ur-Islamisten Sayyid Qutb (1906 – 1966) oder dem russischen Neo-Eurasier Aleksandr Dugin geraten überdies außereuropäische Vordenker in den Blick.

Mit dem, was davon auf der Straße ankommt, lässt sich leicht ins Gericht gehen. Die Ignoranz der Universitäten gegenüber den dahinterstehenden Strömungen lässt sich dadurch nicht rechtfertigen.

Paradoxerweise hat unter linken identitätspolitischen Vorzeichen der Wunsch, die dunklen Seiten der Geschichte ein für allemal hinter sich zu lassen, zugleich eine ideengeschichtliche Blindheit herbeigeführt. Vom Dauermoralisieren erschöpft, hat diese Linke jede historische Lesart verlernt.

Sie wird sich, wenn einmal alle trigger warnings vor zweifelhaften Wörtern, Gedanken und Texten verhallt und die illiberalen Regime dennoch weiter ins Kraut geschossen sind, immer noch fragen, wie es so kommen konnte. Mit zitternden Fingern wird sie auf die bösen Helden der konservativen Revolution zeigen, statt sich einmal an die eigene Nase gefasst zu haben.

Man hatte ja alle Hände voll zu tun.

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