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Yusif Eyvazov und Anna Netrebko beim Schlussapplaus der Oper "Adriana Lecouvreur" im August bei den Salzburger Festspielen.

© dpa

Anna Netrebko in Berlin: Tod einer Diva

Es war ein vergifteter Veilchen-Strauß: In Francesco Cileas „Adriana Lecouvreur“ stirbt Anna Netrebko in der Deutschen Oper Berlin effektvoll.

Ein extrem langsames Tempo hat sie sich beim Dirigenten Michaelangelo Mazza ausbedungen für ihre Auftrittsarie: Weit spannt Anna Netrebko die melodischen Bögen, verströmt sich in balsamischer Noblesse, genießt geradezu die Faszination ihres unverwechselbares Brustregisters, mit dem sie für eine Sopranistin so überraschend voluminöse, dunkelsamtige Töne produzieren kann.

Francesco Cilea rollt in seiner 1902 uraufgeführten Oper "Adriana Lecouvreur" der Protagonistin sofort den roten Teppich aus, gibt ihr schon mit den ersten Noten Gelegenheit, aufs Prachtvollste zu glänzen. Wobei sie ironischerweise davon singt, dass sie ja nichts weiter sei als die demütige Dienerin der Dichter. Mademoiselle Lecouvreur gab es wirklich, im 18. Jahrhundert gehörte sie in Paris zu den gefeierten Stars der Comédie Francaise. Die Bühnenhandlung weicht allerdings von ihrer wahren Lebensgeschichte ab, aus Gründen einer effektvolleren Dramaturgie, und lässt sie an einem vergifteten Veilchenstraße sterben, den die für eine Gabe ihres Geliebten hält, der ihr aber von einer Nebenbuhlerin geschickt wurde.

Raumgreifend also ist Anna Netrebkos erster Auftritt am Mittwoch in Berlin. So wie man das von der berühmtesten lebenden Opernsängerin erwartet. Sie flutet die ausverkaufte Deutsche Oper mit Wohlklang. Und dennoch: Auch wenn sie weiß, dass alle ihretwegen hier sind, zu deutlich erhöhten Ticketpreisen, will sie den Abend nicht zur One-Woman-Show machen. Nein, dafür ist die Russin viel zu sehr Theatermensch. Sie ist bereit, sich ins Ensemble zu integrieren, mit ihren Bühnenpartnern und -partnerinnen wirklich zu spielen, als prima inter pares. Auch wenn das hier offiziell eine konzertante Aufführung ist.

2010 war die Rarität hier mit Angela Gheorghiu zu erleben

Und die Deutsche Oper kann eine hervorragende Besetzung rund um die Diva anbieten. Burkhard Ulrich ist ein fies quäkender, speichelleckerischer Geistlicher, so wie auch schon 2010, als Cileas Rarität zuletzt in der Bismarckstraße zu erleben war, damals mit Angela Gheorghiu und Jonas Kaufmann.

Eitel und polternd gibt Patrick Guetti den Fürst von Bouillon, Vlada Borovko, Aigul Akhmetshina, Padraic Rowan und Ya-Chung Huang sind die Nebendarsteller in der Comédie Francaise, die Adriana zunächst ätzend-neidisch belauern und später herzlich feiern. Zum Zentrum des Geschehens aber wird Alessandro Corbelli, weil er die Rolle des Theaterinspizienten Michonnet auf zutiefst anrührende Weise zu beglaubigen vermag, mit jeder resignierenden Geste, jedem perfekt textverständlich artikulierten Wort.

Drei verschiedene Roben bietet die Diva auf

Anna Netrebko tourt gerade mit der Rolle der "Adriana Lecouvreur", im August erst war sie damit bei den Salzburger Festspielen zu erleben. Auch da wechselte sie mehrfach das Kostüm, tauschte das grüne Wallegewand mit den vielen Glitzersteinen erst gegen ein knallrotes Abendkleid ein und erschien im Finalakt schließlich in einer schwarzen, bodenlangen Robe.

Das macht optisch Eindruck, wäre aber gar nicht nötig, denn es ist ja schon ihre schiere Bühnenpräsenz, der natürliche Drang zum darstellerischen Ausdruck, der das Publikum in den Bann zieht. Und ihre absolut sichere Gesangstechnik natürlich, die Souveränität, mit der sie die Kantilenen modellieren kann, mit der sie scheinbar mühelos die Töne ins Kraftvolle aufziehen wie ins Zarte, Leise ausblenden kann. Wobei ihr Sopran stets diesen berückenden Velours-Schimmer behält.

Überzeugender als in Salzburg, wo ihre Gegenspielerin mit dröhnenden Phonstärken auftrumpfte, ist in Berlin die Rolle der Fürstin von Bouillon besetzt: Olesya Petrova agiert eher defensiv, als gekränkte Seele, und bietet mit ihrem metallisch-scharfen Mezzosopran gleichzeitig einen angemessenen vokalen Kontrast zu Anna Netrebko.

Die liebt im Stück übrigens jenen Mann, mit dem sie im echten Leben verheiratet ist: Yusif Eyvazov nämlich, der am Mittwoch in der Deutschen Oper angenehm frisch und jugendlich klingt, den Maurizio mit heldischer Emphase ausstattet - und nur dann ein wenig verlegen wirkt, wenn er seine Gefühle Adriana Lecouvreur gegenüber auch körperlich zeigen soll. Eyvazovs Umarmungen, seine unechten Küsse wirken gehemmt, fast so, als habe selbst er Ehrfurcht vor dieser Megastarsängerin - die am Ende, beim Schlussjubel dann aber gar nichts Divenhaftes mehr an sich hat, sondern absolut bodenständig wirkt, wie sie da fröhlich-freundlich ihren Fans zuwinkt.

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