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András Schiff

© Priska Ketterer

András Schiff: Durch ferne Galaxien

András Schiff spielt die jeweils drei letzten Klaviersonaten von Haydn, Mozart, Beethoven und Schubert. Im Kammermusiksaal waren jetzt die vorletzten dran.

Im Live-Konzert dürfen Künstler ungleichmäßig sein, Gottseidank. Sie sind vielleicht manchmal Wesen vom anderen Stern, aber keinesfalls Maschinen oder Roboter. Sie bescheren uns Sternstunden und bittere Enttäuschungen, gerade wenn der Erwartungshorizont hoch gespannt ist. Und manchmal ist beides an einem Abend möglich. Im zweiten Teil seines Zyklus’ über „letzte Sonaten“ findet András Schiff im Kammermusiksaal erst allmählich zu sich selbst und ist dabei für mehr als eine Überraschung gut. Mozarts B- Dur-Sonate will auf seinem vermutlich etwas älteren Bechsteinflügel nicht recht heimisch werden. In flackernder Dynamik wirken die Läufe ungleichmäßig, bleiben die Kantilenen matt. Da hilft auch nicht die „Wiener Gemütlichkeit“ des Pedals – Mozart’sche Spritzigkeit ist das nicht. Überraschend hart dafür die „Hornquinten“-Akkorde des Es-Dur-Adagios, denen man eher sanfte „Zauberflöten“- Weihe wünscht.

Geschmackssache? In Beethovens As-Dur-Sonate op. 110 stehen die Dinge ernster, weil der musikalische Zusammenhang zerfällt. Trauer und Trost des Finales können sich nicht entfalten, wenn es keine klaren Steigerungen gibt, sondern die Dynamik sowohl die Lamento- als auch die Fugenteile willkürlich akzentuiert. Kein tragfähiger Gesang, sondern nur erstickte Seufzer – das kann nur ganz kurz, zu Beginn des zweiten Lamentos, ein tragfähiges Konzept sein. Liegt es am etwas flachen, nicht ganz gleichmäßigen Klang des Instruments? Wie ist es möglich, dass schon bei Haydns D-Dur-Sonate eine viel größere Klarheit einkehrt? Es macht Vergnügen, die spitzen Staccato-Attacken im Andante zu verfolgen, die verhangenen Unisono-Gänge im Presto-Finale, die kühnste harmonische Auffüllungen schon in Schubert-Nähe rücken.

Und bei Schubert stimmt plötzlich alles. Alles scheint nur auf die späte große A-Dur-Sonate zugeschnitten zu sein, der Flügel wie die kleinteilige Spielweise des Künstlers. Wenn die ersten Akkorde knallen, die Basstriolen knurren und grollen, die Arpeggien vom Diskant hart aufprallen, dann wird klar, welchen Kampf Schubert hier führt – die „Winterreise“ ist allgegenwärtig. Erlösung von der bitteren Realität gibt es in den traumhaften Piano-Abstufungen des Seitenthemas und im durch ferne Galaxien wandernden Durchführungsteil von unendlich wehmütiger Schönheit. Im Albtraum des fahl singenden Andantinos gibt es auch diesen Trost nicht mehr. Schockartige Brüche und zarteste Traumwelten – selten erklang ein so bekanntes Werk in solch persönlicher Wahrhaftigkeit.

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