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Andrew Weatherall bei einem Auftritt auf dem The Apple Cart Festival 2011 in London.

© Hayley Madden/Redferns

Andrew Weatherall ist tot: Umarmen oder charmieren wollte er niemanden

Er löste eine Pop-Revolution aus und produzierte Musik für die wichtigsten Bands der neunziger Jahre: Nun ist Andrew Weatherall überraschend gestorben.

Als die britische Band Primal Scream Anfang des Jahres 1992 ein Konzert im Berliner Metropol spielte, hatte sie, wie sich das für eine Band dieser Größenordnung gehört, eine Vorgruppe mitgebracht. Nur konnte man in diesem Fall nicht von einer Gruppe sprechen, sondern da stand bloß ein einzelner Typ mit Mütze hinter einem Mischpult und legte Platten auf, ein DJ, damals noch ungewöhnlich in diesem Zusammenhang

Sein Name: Andrew Weatherall. Obwohl die Resonanz im rock- oder indierockorientierten Publikum bescheiden war, hatte diese Vorgruppenbesetzung ihre Logik.

Denn mit Andrew Weatherall war die sich bislang an den sechziger Jahren orientierende C-86-Schrammel-Pop-Band Primal Scream 1991 zur Band der Stunde geworden. Er hatte mit ihr eine Revolution ausgelöst, die sogenannte Rave-o-lution. Weatherall bastelte nicht ganz so großartige Songs von Primal Scream zu Tanzstücken um, beginnend mit „Loaded“ und der legendären, aus einem Roger-Corman-Film stammenden Zeile „We wanna be free. We wanna get loaded and have a good time“.

Es folgten weitere Stücke für das 91er-Primal-Scream-Albums „Screamadelica“, das eines der ultimativen, wegweisenden Alben der neunziger Jahre ist, mit Stücken wie „Moving’ on up“, „Come Together“ oder „Higher Than The Sun“. Diese enthielten eher fragmentarische Reste von der Bobby-Gillesspie-Stimme und den Gitarren der Band. Vielmehr blubberte und polterte es es rhythmisch in den Stücken, mit Dub-Schnipseln hier und seltsamen Drum-Loops dort.

 Im Zentrum der Pop-Revolution

Engand tanzte, England ravte – und Andrew Weatherall, der 1963 in Windsor in der Grafschaft Berkshire geboren wurde, stand mitten im Zentrum dieser Pop-Revolution. Nachdem er in London seine Karriere als DJ im Shoom begonnen hatte, mit Sets, die noch ganz unter dem Einfluss seiner Postpunk-Sozialisation standen, lernte er Paul Oakenfold kennen, der später das „Pills’n’ Thrills and Bellyaches“- Album der Happy Mondays produzieren sollte, und mischte mit diesem 1989 den Happy-Mondays-Song „Hallelujah“.

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Wie Primal Scream gehörte diese wie so manche vor ihr in der legendären Factory in Manchester groß gewordene Band zu den Anführerinnen der „Rave-o-lution.“ Weatherall remixte Stücke weiterer Bands, zum Beispiel New Orders Fußballsong „World in Motion“, Saint Etiennes Neil-Young-Coverversion „Only Love Can Break Your Heart“ oder My Bloody Valentines „Soon“.
Und er wurde nach dem „Screamadelica“-Erfolg ein gefragter Produzent, der für Björk, Beth Orton oder Siouxie Sioux an den Reglern saß, für die Manic Street Preachers, die Chemical Brothers oder James. Weatherall stand für den Pop, den Rave, den Raverock der frühen neunziger Jahre, bevor dann der Britpop mit Bands wie Oasis und Blur abermals eine neue, dann wieder rückwärtsgewandtere, zudem viel patriotischer gesinnte Groß-Pop-Ära einläutete.

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Umarmen oder charmieren wollte Andrew Weatherall niemanden

Die Rave-Revolution war von nicht so langer Dauer, dafür wurden die elektronischen Spielarten immer mehr. Das eine focht Weatherall nicht weiter an, an einem Superstar-Status war ihm nicht gelegen, das andere inspirierte umso mehr.

Er gründete selbst eine Band,Sabres of Paradise, frönte mit dieser kurz seiner Leidenschaft für Dub-Sounds, und konzentrierte sich in Folge auf ein weiteres Projekt, die Two Lone Swordsmen, auf deren Alben düstere Plucker-Elektronik zu finden war. Umarmen oder charmieren wollte Weatherall damit niemanden, dafür stand er zu sehr auf den Schultern des Postpunk. Gegen die Two-Lone-Swordsmen-Version des Gun-Club-Klassikers „Sex Beat“ zum Beispiel war das Original von Jeffrey Lee Pierce ein einziger Sonnenscheinsong.

Am Montag ist Andrew Weatherall im Alter von 56 Jahren in einem Londoner Krankenhaus an einer Lungenembolie verstorben.

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