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Der „Drifter“ von Studio Drift (Niederlande) war im Frühjahr 2019 in der großen Ausstellungshalle von „Amos Rex“ zu sehen.

© Rolf Brockschmidt

Amos Rex Art Museum in Helsinki: Himmel unter der Erde

Mit „Amos Rex“ bekam Helsinki einen innovativen Museumsbau für moderne Kunst.

Der Platz hinter dem alten Glaspalast, dem „Lasipalatsi“, wölbt sich merkwürdig auf, so als hätte ein gigantischer Maulwurf den Untergrund durchpflügt. Und was sind das für runde Fenster, die gleichsam aus dem Boden zu wachsen scheinen und wie riesige Bullaugen gen Himmel blicken? Was verbirgt sich dort unter dem Platz, oberirdisch – eher unspektakulär – eingerahmt von einem Kino und flachen Funktionsbauten im Stil der 1930er Jahre? Es ist der wohl aufsehenerregendste Kulturneubau Helsinkis, das private Kunstmuseum „Amos Rex“ (amosrex.fi/en), das die Kulturlandschaft der finnischen Hauptstadt mit einem Schlag bereichert hat.

Steigt man die Treppe ins Foyer hinab, wird schnell klar: Die großen runden Fenster sollen Tageslicht in das unterirdische Museum lassen. Die großzügigen Ausstellungsräume mit ihren 2170 Quadratmetern sind relativ flexibel zu bespielen. Atemberaubend ist die Ausstellungshalle, deren weite Decke sich wie ein künstliches Himmelsgewölbe über den Köpfen der Besucher ausbreitet.

Während in den übrigen Räumen im Frühjahr eine René-Magritte-Schau zu sehen war, bespielte das niederländische Studio Drift die große Halle und die angrenzenden Flächen. In der Halle zeigten sie „Drifter“, einen Quader mit einem Durchmesser von vier Quadratmetern und einer Seitenlänge von vier Metern, der dennoch schwerelos im Raum zu schweben scheint. Im Stedelijk Museum Amsterdam war das im vergangenen Jahr eine kleine Sensation, denn niemand weiß, wie dem riesigen Klotz dies gelingt – oder ob das Ganze nur ein Trick ist. Doch erst in der Halle des „Amos Rex“ mit ihrer gewölbten, organisch wirkenden Decke fand der „Drifter“ den passenden futuristischen Rahmen.

Partizipation ist in Finnland alles

Mit der Ausstellung „Ars Fennica 2019“ geht das Museum nun in die nächste Runde. Gezeigt werden Werke von fünf Künstlern aus den Nordischen Ländern: Petri Ala-Maunus (Finnland), Miriam Bäckström (Schweden), Ragnar Kjartansson (Island), Egill Sæbjörnsson (Island) und Aurora Reinhard (Finnland). Sie alle sind für den „Ars Fennica Award 2019“, Finnlands bedeutendsten Preis für Bildende Künste, nominiert. Am 21. August wird der Sieger bekannt gegeben.

Da Partizipation in Finnland alles ist, gibt es auch einen Publikumspreis, der ebenfalls am 21. August verliehen wird. Mit „Amos Rex“ habe die Auszeichnung einen würdigen Rahmen gefunden, der den Preis aufwerte, findet die Künstlerin Aurora Reinhardt in Helsinki. Sie ist mit ihren Werken auch noch bis zum 11. August in Berlin in der Ausstellung „Mostly Happy – Finnish Art Today“ im Haus am Lützowplatz zu sehen.

Dabei sah die ursprüngliche Planung für „Amos Rex“ anders aus. Der schwedischsprachige finnische Zeitungsverleger und Kunstliebhaber Amos Anderson (1878–1961) sowie sein Erbe spielen dabei eine wichtige Rolle. Anderson schrieb Theaterstücke, führte Regie und half mit reichlich Geld, das Schwedische Theater in Helsinki zu restaurieren. Als Freund Roms ergriff er die Initiative zur Gründung des Finnischen Instituts Rom, der Villa Lante. 1940 gründete er den Fonds Föreningen Konstsamfundet, der als Vollstrecker seines Erbes fungieren sollte, mäzenatisch wirkt, Preise und Stipendien vergibt – und vor allem das Amos Anderson Kunstmuseum steuert, das von 1965 bis 2017 in einem Gebäude nahe dem „Amos Rex“ residierte.

Der alte Glaspalast war nicht als Museum geeignet

Doch der ursprüngliche Bürobau war zu klein geworden und genügte den Anforderungen an ein modernes Museum nicht mehr. So entstand die Idee eines Neubaus in unmittelbarer Nähe. Schnell kam auch das Gelände des „Lasipalatsi“ in den Blick, ein Ensemble funktionaler Flachbauten mit dem Kino Rex, das 1936 als temporäres Ensemble für die Olympischen Spiele errichtet worden war. Mit den Jahren entschied man sich, die historisch bedeutenden Bauten zu retten und zu renovieren.

Der alte Glaspalast war allerdings nicht als Museum geeignet; einen Neubau hinter dem historischen Ensemble verbot der Denkmalschutz. Also engagierte man das junge Büro JKMM architects, das die Idee eines unterirdischen Museums ins Spiel brachte – die Geburtsstunde von „Amos Rex“, dessen Name sowohl an den Gründer Amos Anderson als auch an das legendäre Kino Rex erinnert. Ein genialer Einfall, denn nur so konnte die großzügige Ausstellungsfläche gewonnen werden, mit der das Haus seit Sommer 2018 aufwarten kann.  Durch das Museum ist auch das Kino zu neuem Leben erwacht – ebenso wie der Platz mit seinen futuristischen Bullaugen und netten Cafés rundherum. So kann man im Herzen Helsinkis zunächst zwischen der Kunst hindurch und anschließend über sie hinweg spazieren.

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