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Aussichtsreich. Seit 1998 residiert die American Academy am Wannsee, in der ehamaligen Villa des Bankiers Hans Arnhold.

© Annette Hornischer

American Academy unter Gerhard Caspar: Neue Wellen für den Wannsee

Der langjährige Stanford-Präsident Gerhard Caspar leitet übergangsweise die American Academy. Die Suche nach einem Nachfolger ist in vollem Gange. Ein Besuch.

Ein Leuchtturm wankt nicht so leicht im Sturm, aber die American Academy am Wannsee hat turbulente Zeiten hinter sich. Jetzt sieht Interimspräsident Gerhard Caspar jedoch einen deutlichen Lichtstreifen am Horizont. Wie berichtet, war der langjährige Präsident der Stanford University schon zum zweiten Mal zurückgekehrt, um die Academy für eine Übergangsphase zu leiten.

Nach dem Abschied des langjährigen Gründungsdirektors Gary Smith schien es schwierig, wieder langfristig Kontinuität an der Spitze herzustellen. Zuletzt war Terry McCarthy überraschend nach nur wenigen Monaten zurückgekehrt in die USA.

Jede Krise hat ihre guten Seiten, und die sieht Casper in der Tatsache, dass das Kuratorium noch fester zur eigentlichen Bestimmung der Academy steht. Von Anfang an sollte sie ein Ort sein, an dem herausragende amerikanische Geisteswissenschaftler und Künstler in Ruhe arbeiten, forschen und sich austauschen können sollten.

Immer mal wieder gab es im Laufe der Jahre Diskussionen darüber, ob mehr „Distinguished Visitors“, vor allem aus der Politik, den Bekanntheitsgrad und die Strahlkraft womöglich noch weiter erhöhen würden.

Die große Stärke der American Academy lag allerdings immer darin, dass dort Orchideenfächer zur Geltung kamen, seltene Arbeitsschwerpunkte auf höchstem Niveau präsentiert wurden.

Der neue Präsident soll das Profil des Hauses schärfen

Auch deshalb waren die Veranstaltungen dort immer so beliebt, weil man abseits des üblichen Berliner Prominententrubels mal wirklich auf andere Gedanken und neue Ideen kommen konnte.

Das Hans Arnhold Center am Wannsee wieder fest als gesellschaftlichen Treffpunkt zu verankern für jenen Teil der transatlantisch engagierten Berliner, die sich derzeit etwas heimatlos fühlen, sieht Casper als eine wichtige Aufgabe für den neuen Präsidenten. Er soll das Profil wieder schärfen im Kontrast zum Beispiel zum Aspen Institute, das aufgrund seiner Wurzeln viel eher eine ebenfalls politische Rolle spielt.

Ein weiteres Ziel ist, den Teilnehmerkreis bei den Veranstaltungen möglichst weiter zu verjüngen, künftig auch mehr Studenten als Zuhörer anzuziehen. Insgesamt gehe es darum, dem Provinzialismus entgegenzuwirken, den Horizont fächerübergreifend zu weiten.

Sieben Kandidaten sind in der engeren Auswahl

Finanziell steht die Einrichtung durchaus gut da mit einem Stiftungsvermögen in Höhe von 50 Millionen Dollar. Bedenkt man, dass am Anfang gar kein Vermögen da war, sei das nicht schlecht, sagt Gerhard Casper.

Er glaubt, dass besonders Unternehmen, die auf beiden Seiten des Atlantiks engagiert sind, hier in Berlin die Chance sehen, eine unabhängige Institution zu unterstützen, die in schwierigen Zeiten die Bande unterhalb der hochoffiziellen politischen Ebene stabil hält.

Derzeit hat die Findungskommission sieben mögliche Kandidaten im Blick, die in die engere Auswahl kommen. Zwar war auch ein Headhunter eingeschaltet, die allermeisten Vorschläge aber kamen von den Kuratoriumsmitgliedern und von ehemaligen Stipendiaten. Der neue Chef soll ein Amerikaner sein, der mühelos Deutsch spricht.

Thema Migration rückt in den Vordergrund

Das große Kapital der American Academy sieht Casper in dem Stab aus etwa 50 hochmotivierten Mitarbeitern, die dazu beitrügen, dass diese Institution Stürme überstehen kann. Zufrieden ist er mit der Auswahl der Herbst-Fellows, die am Dienstag vorgestellt werden. Das Thema Migration wird dabei eine größere Rolle spielen als bisher.

Gerhard Casper, der auch Mitglied im Orden „Pour le Mérite“ ist, macht keinen Hehl daraus, dass er seine Zeit in der Idylle am Wannsee genießt: den weiten Blick aus dem Arbeitszimmer übers Wasser und vor allem die Gespräche, die sich ergeben, wenn Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen in einem Haus zusammenleben und hier ihre Mahlzeiten gemeinsam einnehmen. Aber auch in der Berliner Innenstadt fühlt sich der Jurist wohl, der 1964 in die USA ausgewandert ist: „Es ist die lebhafteste Metropole in Europa.“

Casper fühlt sich als Treuhänder der Academy

Bis Weihnachten will Gerhard Casper an der American Academy bleiben, dann sollte der neue Präsident das Amt möglichst schon übernommen haben. Der 81-jährige gebürtige Deutsche ist Experte der amerikanischen Verfassung und ein auch in Deutschland gefragter Hochschulexperte: „Universitäten liegen mir wirklich am Herzen.“

Unter anderem ist er engagiert bei der neu zu gründenden TU Nürnberg, bei der Max-Planck-Gesellschaft und bei der Central European University. Als Kuratoriumsmitglied der American Academy fühlt er sich außerdem als Treuhänder.

Ein früherer Kollege hat ihm mal ein Metallschild geschenkt, das auf seinem Schreibtisch liegt. „Just say No“, steht darauf. Eingesunken ist der Spruch wohl noch nicht.

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