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Amanda Gorman, 22, bei ihrem Auftritt am 20. Januar anlässlich von Joe Bidens Amtseinführung.

© imago images/ZUMA Wire

Amanda Gorman und der Boom der Lyrik: Kraft und Wirkmacht

Bestätigt Amanda Gormans gefeierter Auftritt den Aufschwung der Lyrik? Auch dem Preis der Leipziger Buchmesse würde eine Lyrik-Kategorie gut anstehen.

Ob die Begeisterung am 30. März ähnlich groß sein wird wie an dem Tag, an dem Amanda Gorman bei Joe Bidens Amtseinführung auf dem Kapitol die ganze Welt für sich einnahm, mit ihrem Auftritt, mit ihrem Gedicht „The Hill We Climb“? Ob die dann hoffentlich wieder allesamt geöffneten Buchhandlungen in Deutschland einen kleinen Ansturm erleben?

An diesem 30. März nämlich erscheint die deutsche Fassung von Gormans Poem als Mini- Büchlein für schlanke zehn Euro in einer deutschen Übersetzung bei Hoffmann & Campe; und ein halbes Jahr später, Mitte September, veröffentlicht der Hamburger Verlag einen ganzen Band mit Gedichten von Gorman auf Deutsch.

Natürlich schwärmt der Hoffmann & Campe-Verleger Tim Jung in höchsten Tönen von seiner neuen Autorin, so wie er das schon im vergangenen Jahr bei Monika Maron als Ho&Ca- Neuzugang getan hat. Amanda Gorman, so Jung, habe der „ganzen Welt vor Augen geführt, welche ungeheure Schönheit, Kraft und Wirkungsmacht einem Gedicht innewohnen kann“.

Elke, Erb, Louise Glück, jetzt Gorman

Das soll sich nun sicherlich auch auf dem Buchmarkt zeigen, selbst wenn das Gedicht der jungen Lyrikerin und Aktivistin im Original problemlos im Internet zu finden ist und ihr Auftritt zum Beispiel bei Youtube inzwischen anderthalb Millionen mal geklickt wurde.

Der Hype um Gorman passt gut zum Boom der Lyrik im vergangenen Jahr, zumindest was die Aufmerksamkeit für diese gern stiefmütterlich behandelte literarische Gattung betrifft. Vergangenes Jahr erhielt mit Louise Glück eine bis dato nur Eingeweihten bekannte amerikanische Lyrikerin den Literaturnobelpreis.

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Und hierzulande hatte schon ein paar Monate zuvor die Lyrikerin Elke Erb die hierzulande renommierteste Literaturauszeichnung gewonnen, den Georg-Büchner–Preis. Für die Bestsellerlisten reichten beide Auszeichnungen nicht – Glücks ins Deutsche übersetzte Bücher waren sowieso vergriffen.

Man muss also skeptisch sein, was diesen Boom anbetrifft; was er überhaupt für andere, nicht mit höchsten Auszeichnungen bedachte Lyrikerinnen und Lyriker bedeutet.

Zum Beispiel würde eine neue Kategorie Lyrik beim Preis der Leipziger Buchmesse neben den drei Kategorien Belletristik, Sachbuch und Übersetzung für Hype-Absicherung und Substanz sorgen. Gormans Charisma, ihre Aura, überhaupt das Setting der Inauguration – das wird das Hoffmann & Campe-Büchlein jetzt alles mittransportieren müssen.

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