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Wann wird’s wieder so sein? Auftritt von Mia 2018 in der Arena in Marzahn.

©  Dominik Butzmann

Am Sonntag Abend beginnt die Fête de la Musique: Lust auf Normalität

Die Pandemie scheint auf dem Rückzug, die Fête de la Musique bleibt trotzdem weitgehend digital. Doch in den Gärten der Welt wird live gespielt.

Hohe Temperaturen, niedrige Inzidenzen, Menschen sitzen wieder in Cafés: Wer dieser Tage durch Berlin läuft, könnte meinen, es gäbe keine Pandemie mehr. Musiker:innen und Musikbegeisterte zieht es gleichermaßen ins Freie, wie man in fast jedem Park beobachten kann. Also kann die diesjährige Fête de la Musique am 21. Juni gemäß dem Motto „Musik möglich machen“ doch eigentlich wieder analog stattfinden, oder?

Leider nein. Abgesehen von einigen Ausnahmen wird ein Großteil der Berliner Veranstaltung, bei der namhafte und unbekannte Künstler:innen überall in der Stadt öffentlich musizieren, auch dieses Jahr digital stattfinden. „In der Kürze der Zeit ließ sich das einfach nicht umsetzen“, sagt Kurator Björn Döring. Denn auch wenn die aktuelle Situation zwar Live-Konzerte unter Auflagen erlauben würde und die Senatsverwaltung sogar grünes Licht für Veranstaltungen mit bis zu 500 Besucher:innen im Freien gegeben hat, hätte es dafür mehr Vorlauf zur Planung und Genehmigung gebraucht. „Wir bekommen Hunderte Anfragen von Musiker:innen, was man jetzt machen darf und was nicht“, erzählt er.

Vorwenigen Wochen sah die Situation noch ganz anders aus

Doch da die Situation noch vor wenigen Wochen ganz anders aussah, blieb den Fête-Macher:innen nichts anderes übrig, als das Festival auch 2021 größtenteils digital zu planen. „Es war ein bisschen wie bei ‚Täglich grüßt das Murmeltier’“, so Döring. Ähnlich wie im Frühjahr 2020 herrschte große Unsicherheit, wie sich das Infektionsgeschehen entwickeln würde und was überhaupt geht. Und ähnlich wie im letzten Jahr mit der „Fête de la Haus-Musique“ sind auch die Dimensionen der diesjährigen Fête überschaubar: Rund 50 angemeldete Bühnen gibt es, über 100 Konzerte sind geplant. Zum Vergleich: 2020 waren es 137 Konzerte, 2019 hingegen 673.

Anders als im letzten Jahr gib es jedoch ein großes kostenloses Live-Konzert mit 500 Sitzplätzen, das damit eines der ersten großen Konzerte sein wird, die dieses Jahr in Berlin stattfinden: Am 20. Juni laden die Fête-Macher:innen ein in die Gärten der Welt, eine nach verschiedenen Kulturkreisen gestaltete Parkanlage in Marzahn, wo die Besucher:innen in einer Art Amphitheater Platz nehmen können. Umgeben von chinesischer, orientalischer und koreanischer Gartenkunst werden hier unter anderem die Vokalhelden zu hören sein, der junge Chor der Berliner Philharmoniker. Die 15 Sänger:innen zwischen neun und 17 Jahren werden das erste Mal seit eineinhalb Jahren wieder öffentlich auftreten und unter anderem Klassiker wie „Here Comes The Sun“ von den Beatles intonieren.

Hauptact des Abends ist die Crossover-Band Make A Move, die sich im ersten Lockdown mit Streaming-Konzerten aus dem Gretchen-Club einen Namen gemacht hat: Regelmäßig luden sie sich dazu andere bekannte Musiker:innen ein und spielten deren Songs in einer Mischung aus Funk, Rap und Blasmusik. So ist es auch für den Fête-Auftakt geplant, diesmal mit der Deutschpop-Sängerin Celina Bostic, dem Singer-Songwriter Sam Vance-Law und der irischen Sängerin Wallis Bird als Gast-Musiker:innen. Ebenfalls Teil des Programms sind „Mr. Pianoman“ alias Thomas Krüger, die Reggae- DJs Lou Large und Triple E sowie eine indonesische Prozession mit traditionellen Gewändern und Instrumenten.

Die Pandemie ist immer noch nicht vorbei

Trotz allem müssen beim Auftakt-Konzert strenge Hygiene-Regeln eingehalten werden. Besucher:innen brauchen ein negatives Testergebnis oder müssen vollständig geimpft sein, es gilt Mindestabstand, Kontaktnachverfolgung sowie Maskenpflicht in Waschräumen und draußen bei Schlangen. „Wir müssen leider die Euphorie ein bisschen bremsen, denn die Pandemie ist immer noch nicht vorbei und es gibt noch gefährliche Virus-Varianten“, sagt Döring. Falls sich die Regelungen bis Sonntag noch weiter lockern, könnten sogar 777 Menschen die Veranstaltung besuchen.

Am eigentlichen Tag der Fête, dem 21. Juni, wird dann weitgehend auf digital umgestellt. „Man kann das Festival dann einfach mit dem Handy in den Park mitnehmen“, sagt Döring. Streams werden unter anderem aus den Clubs Ritter Butzke, Gretchen oder Badehaus übertragen, Techno-Urgestein Westbam legt im Frannz Club auf, Sängerin Katharine Mehrling ist zusammen mit DJ Lexer aus dem Friedrichstadt-Palast zugeschaltet.

Marzahn-Hellersdorf ist der diesjährige Partnerbezirk der Fête, daher werden unter anderem der Proberaum-Plattenbau „Orwo- Haus“, Schloss Biesdorf, die Hans-Werner-Henze-Musikschule, die Galerie M oder die Prinzessinnengärten Streams anbieten. Da es anders als bei Live-Konzerten keine Möglichkeit gibt, mal eben einen Hut unter den Besucher:innen herumgehen zu lassen, haben sich die Fête-Macher:innen eine Art digitalen Spenden-Hut ausgedacht: Über die Online-Plattform Betterplace wird es möglich sein, den jeweiligen Bands und Musiker:innen digital einen Obolus zu überweisen.

Berliner:innen müssen am 21. Juni aber nicht komplett auf Live-Musik verzichten: So soll es einige Balkon- und Innenhof-Konzerte geben, denen man jeweils von der Straße oder vom Fenster aus lauschen kann. Die Musikschule Fanny Hensel hingegen plant ein Schaufenster-Konzert: Die Musiker:innen werden im Schaufenster sitzen, während die Musik auf die Straße übertragen wird. Auch vom Wasser soll Musik kommen: „Es wird ein Reggae-Floß geben, das dann ein paar Strände anfahren wird“, sagt Döring. Auch einige Soundsysteme auf Lastenrädern und Fahrrad-Rikschas sind unterwegs: „Bei zu großem Menschenandrang fahren sie einfach weiter“, so Döring. Er freue sich sehr, dass die Teilnehmer:innen bei ihren Auftritten ebenso viel Kreativität wie Verantwortungsbewusstsein an den Tag legen.

Unverstärkte Straßenmusik ist in Berlin wieder erlaubt

Unabhängig davon könnte es aber ohnehin viel Live-Musik am 21. Juni geben, denn unverstärkte Straßenmusik ist seit Kurzem wieder in Berlin erlaubt. Döring rechnet natürlich damit, dass viele Menschen Straßenmusik machen werden – „und das ist auch ganz wunderbar“. Er appelliert aber an die Vernunft der Berliner:innen, es nicht zu übertreiben: „Einen großen Rave zu veranstalten, halte ich gerade für völlig verantwortungslos.“

Insgesamt sieht Döring der Fête de la Musique zuversichtlich entgegen: Immerhin hätten trotz des geschrumpften Programms im vergangenen Jahr rund 80 000 Menschen die Konzerte online verfolgt, also ein ähnlich großes Publikum wie bei einer Live-Fête in Berlin. Zudem sei durch die Erfahrungen des vergangenen Jahres 2021 einiges einfacher: „Letztes Jahr wussten wir ja noch gar nicht, ob die Server das alles aushalten, ob überhaupt jemand die Streams schaut oder welche Plattformen wir eigentlich nehmen sollen“, sagt Döring. „Auf diese Erfahrungen können wir nun zurückgreifen.“ Und was ihn besonders freut: Obwohl die Fête de la Musique dieses Jahr auf einen Montag fällt, haben sich fast genauso viele Musiker:innen angemeldet wie 2020. „Damit hätte ich wirklich nicht gerechnet“, sagt er.

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