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"Allmen und die Libellen": Geheimnis im Gartenhaus

Martin Suters Krimi "Allmen und die Libellen" wirkt, als sei ihm erst am Ende eingefallen, dass ein Krimi auch Handlung braucht.

Krimifans freuen sich natürlich immer, wenn in einem Krimi auf bekannte Größen der Kriminalliteratur verwiesen wird. „Er versuchte mit Hilfe von Kommissar Maigret auf andere Gedanken zu kommen, normalerweise ein todsicheres Rezept. Aber das Kriminalistische an der Geschichte erinnerte ihn zu sehr an seinen eigenen Fall“. Wer sich hier mit Georges Simenons Maigret ablenken will, ist Martin Suters Held Johann Friedrich von Allmen, mit dem, so verkündet es sein Verlag, der Schweizer Bestsellerautor gleich eine ganze Reihe von Kriminalromanen bestreiten will.

„Allmen und die Libellen“ bildet den Auftakt dieser Reihe. Vermutlich ist das auch der Grund, warum Suter hier – fast sehnsüchtig und kurz vor dem Ende – ein Schwergewicht wie Kommissar Maigret als Referenzgröße ins Spiel bringt. Denn dieser „Fall“ will nur sehr langsam überhaupt zu einem Fall werden, schon gar nicht braucht es dafür großen kriminalistischen Spürsinn.

Martin Suter hat erst einmal viel zu viel damit zu tun, seinen Helden einzuführen, ihn zu einem eher zufälligen Ermittler zu machen und zudem mit allerlei Eigenschaften und Insignien auszustatten, auf dass aus ihm ein unverwechselbarer Serienheld werde. Also: Allmen lebt in einer nicht näher bezeichneten, mutmaßlichen Schweizer Stadt an einem See, er ist Millionenerbe, hat aber sein Erbe durchgebracht und wohnt nun im Gartenhaus seiner ehemaligen Villa, die er verkaufen musste, zusammen mit einer Art Mädchen für alles, dem aus Guatemala stammenden Carlos. Immerhin hat Allmen hier lebenslanges Wohnrecht.

Sein trotz allem noch einigermaßen luxuriöses, auf Ehrbarkeit und hohe Kreditwürdigkeit bedachtes Privatiersdasein, finanziert Allmen mit dem Verkauf von Antiquitäten, die er inzwischen aus Antiquitätenläden mitgehen lässt. Da kommt es ihm natürlich gelegen, dass er nach einem One-Night-Stand mit der schönen, geheimnisvollen Joelle in der Villa ihres Vaters am Seeufer auf fünf „schöne, formvollendete“ Jugendstilschalen stößt: „Jede von ihnen schmückte eine große Libelle, jede mit goldenen Augen, jede anders, aber jede so, als wäre sie mitten im Flug von diesem Glas eingeschlossen worden, als es noch flüssig war.“ Allmen macht sich an seine Arbeit, Schalen entwenden und verhökern, und gerät schließlich in höchste Gefahr, da die Schalen für einen millionenschweren Versicherungsbetrug herhalten mussten.

So viel zum unspektakulären Fall, der mehr den Eindruck macht, als hätte Suter ihn erst ganz am Schluss ersonnen: Ach, ich schreibe einen Krimi, da muss ich mir ja auch eine Handlung einfallen lassen. Was zunächst nicht so dramatisch ins Gewicht fällt: Mit Allmens Macken und Vorlieben (er ist zum Beispiel ein großer Literaturliebhaber), mit seinem Diener und zukünftigen Assistenten Carlos sowie seinem Umfeld aus Bars, in denen er verkehrt, und der seltsamen Wohnstatt unterhält man sich gut. Das hat Charme und ausreichend Tempo, das ist zum Wohlfühlen und sprachlich einfach gestrickt, aber große Literatur strebt Suter mit seinem Krimi auch nicht an.

Allerdings fragt man sich, wie es weitergehen soll. Denn so originell der Held ist, so hübsch das Mobiliar: Am Ende aller Krimis sollte es um etwas gehen, sollten Ansätze einer Geschichte zu erkennen sein. Es gibt schließlich auch so manchen Maigret-Roman, der ziemlich langweilig ist und den selbst Maigrets Brummigkeit, Pfeife und stetige Lust auf Bier und Schnaps nicht zu retten vermögen. Allmen, heißt es einmal, „glaubte, dass jedes Buch ein Geheimnis habe, und sei es auch nur die Antwort auf die Frage, weshalb es geschrieben wurde.“ Weshalb Suter die Allmen-Reihe begonnen hat – das zumindest sollte er in den nächsten Folgen beantworten. Gerrit Bartels

Martin Suter: Allmen und die Libellen. Roman. Diogenes Verlag, Zürich 2011. 195 Seiten, 18, 90 €.

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