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Zum Umplanen gezwungen. Geschäftsführerin Janina Paul plant mit Konzerthaus-Intendant Sebastian Nordmann ein digitales Klassiklabor.

©  Pablo Castagnola, Konzerthaus

„Alle haben jetzt massive Existenzängste“: Wie das Konzerthaus mit der Coronakrise umgeht

Die Zukunft für das Konzerthaus am Gendarmenmarkt sah rosig aus, dann kam die Krise. Alles wird hinterfragt. Und doch hat man Pläne für die Zukunft.

Die Saaltüren sind verschlossen, aber hinter den Kulissen herrscht im Konzerthaus am Gendarmenmarkt kein Stillstand. „Noch nie zuvor in meinem Berufsleben musste ich meinen Tagesablauf so direkt auf eine bestimmte Situation umstellen“, sagt Intendant Sebastian Nordmann.

„Wir sind im intensiven Kontakt mit Künstlern, Agenturen, Veranstaltern, wir versuchen mit jedem, dessen Auftritt bei uns nicht stattfinden kann, einen Alternativtermin zu finden. Und egal, mit wem ich spreche, alle haben jetzt massive Existenzängste.“

Janina Paul, die Geschäftsführerin des Hauses, ergänzt: „Alle Themen, mit denen wir uns vor Beginn der Coronakrise beschäftigt haben, kommen uns jetzt geradezu redundant und sinnlos vor.“

In der vergangenen Woche war noch ein Livekonzert möglich, bei dem jeweils nur zwei Interpreten gleichzeitig auf der Bühne standen, unter anderem Starpianist Lang Lang und der Geiger Daniel Hope. Der Abend ist weiterhin unter www.konzerthaus.de abrufbar. Derzeit bereiten die Musikerinnen und Musiker des Konzerthausorchesters von zu Hause weitere Aktionen vor, die dann über den wortwitzigen Hashtag „konzertZUhaus“ verbreitet werden sollen.

„Unsere Musikerinnen und Musiker sind unglaublich traurig, dass sie derzeit nicht gemeinsam musizieren können. Denn Orchester leben ja vom engen Miteinander“, berichtet Janina Paul. „Dennoch wollen sie jetzt unbedingt weiter Präsenz zeigen, wenigsten online. Gerade in solchen emotional aufwühlenden Zeiten ist Musik enorm wichtig.“

Das Haus macht gravierende Verluste

Als Angestellte einer städtischen Institution erhalten alle Mitarbeiter des Konzerthauses weiter ihr Gehalt. Sebastian Nordmann denkt aber auch darüber nach, wie er freie Ensembles unterstützen kann. „Ob Nico and the Navigators, ob das Solistenensemble Kaleidoskop oder die Akademie für Alte Musik, sie alle leiden jetzt. Wir wollen sie schnellstmöglich wieder einladen. Nur wissen wir eben nicht, wann das möglich sein wird.“

Derzeit gilt die stadtweite Schließung der Kulturinstitutionen mindestens bis zum 19. April. Schon in dieser Zeit, hat Janina Paul errechnet, gehen dem Konzerthaus Einnahmen in Höhe von gleich 600.000 Euro verloren.

„Unser Jahr hat großartig begonnen, mit der emotional bewegenden Geburtstagswoche für unseren neuen Chefdirigenten Christoph Eschenbach“, berichtet sie, „Die Auslastungszahlen waren großartig.“ Auf den Tag X, an dem der Kulturbetrieb wieder anläuft, blickt sie dagegen skeptisch: „Wir werden nicht sofort wieder ausverkaufte Vorstellungen haben, das ist allen in der Szene klar.“

Hintergrund über das Coronavirus:

Eine wichtige Frage sei auch, ergänzt Sebastian Nordmann, wie das ältere Publikum reagiere: „Trauen die sich überhaupt wieder ins Konzerthaus, wenn wir irgendwann öffnen können?“ Gerade in der klassischen Musik ist der Altersdurchschnitt ja traditionell höher als in anderen Kulturgenres.

Und das Konzerthaus hat Tausende treuer Abonnenten, die seit Jahrzehnten dabei sind. Ebenfalls zur Risikogruppe gehört übrigens auch Chefdirigent Eschenbach. Der 80-Jährige sitzt derzeit in seiner Pariser Wohnung fest.

Dabei sah die Zukunft so rosig aus für sein Orchester: Bei den Verhandlungen zum Kulturetat 2020/21 gehörte das Konzerthaus zu den großen Siegern. Schon ab diesem Jahr sollten 200.000 Euro fließen, als Projektmittel, um die mediale Präsenz des Orchesters zu stärken, zum Beispiel durch Livestreams.

Ein Labor für Klassik im digitalen Zeitalter ist geplant

Und für 2021 wurde eine lange überfällige Gehaltserhöhung für die Musikerinnen und Musiker bewilligt, deren Einkommen derzeit deutlich unterhalb der anderen hauptstädtischen Orchester liegt.

Und schließlich hatte der Hauptstadtkulturfonds Mittel für das Jubiläum im kommenden Jahr zur Verfügung gestellt. Dann jährt sich die Einweihung von Karl Friedrich Schinkels klassizistischem Musentempel zum 200. Mal.

Auftragskompositionen an Künstlerinnen und Künstler der freie Szene sollen von dem Geld finanziert werden. Sebastian Nordmann ist sich allerdings nicht sicher, ob die zugesagten Zuschüsse auch tatsächlich fließen werden.

„Alles, was früher mal gegolten hat, muss man im Moment hinterfragen“, sagt er. Und denkt dabei auch an den Plan, unter der großen Freitreppe des Hauses einen neuen Saal zu schaffen.

Es soll „ein Labor für Klassik im digitalen Zeitalter“ werden: „Hier könnten wir mit neuen Formaten experimentieren, dieser Raum wird auch freien Gruppen zur Verfügung stehen.“

Niedrigschwellig soll der Zugang zu diesem „Ko-Lab“ sein, offen für die gesamte Stadtgesellschaft, schwärmt Janina Paul. Die Planung steht, es gibt schon jede Menge Ideen. „Das wollen wir auf keinen Fall stoppen!“ gibt sich Sebastian Nordmann kämpferisch. „Es ist eine Herzensangelegenheit des gesamten Hauses.“

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