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Promofoto der Vorstellung.

© David Baltzer / bildbuehne.de

„Alle außer das Einhorn“ am Grips-Theater: Shitstorms in Schulklassen

„Alle außer das Einhorn“ heißt das neue Stück der preisgekrönten Berliner Autorin Kirsten Fuchs. Es geht um den Umgang mit sozialen und asozialen Medien, um Mut und Solidarität.

Alle außer das Einhorn – so nennt sich, grammatikalisch nicht ganz auf Höhe, die WhatsApp-Gruppe der Klasse. Cool für diejenigen, die drin sind. Ziemlich mies dagegen für Netti. Denn die ist das Einhorn. Und muss leider draußen bleiben. Den Fabeltiernamen trägt das Mädchen wegen des Kostüms, das sie sich fürs bevorstehende Schulfest ausgesucht hat. Aber das ist nicht der Grund, weshalb sie gemobbt wird. Weswegen sie anonyme Messages bekommt wie „Geh dich vergraben, du Wichskind“ oder „Dein Vater ist schwul, deine Mutter ist fett wie die Sonne“. Die Wahrheit ist: es gibt keinen Grund. Bloß einmal hat Netti im Klassenchat geschrieben, dass die anderen aufhören sollen, ihren Kumpel Julius zu mobben. Das ist auch prompt passiert. Dafür ist sie jetzt eben das Opfer. Bleibt nur zu hoffen, dass der Shitstorm bald weiterzieht.

„Alle außer das Einhorn“ heißt das neue Stück der preisgekrönten Berliner Autorin Kirsten Fuchs – nach der schönen Familiengeschichte „Tag Hicks oder fliegen für vier“ ihr zweites Werk fürs Grips-Theater. Es verteufelt nicht das Internet, das war Fuchs von vornherein wichtig („Der Straßenverkehr ist viel schlimmer und trotzdem schreibt man keine Stücke gegen Autos“). Aber sie thematisiert ein Problem, das Eltern wie Gesetzgeber überfordert und von dem in Deutschland nach Schätzungen eine halbe Million Jugendliche betroffen sind: Cybermobbing.

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Regisseur Robert Neumann inszeniert das sehr wirkungsvoll vor einer LED-Wand, auf der sich aus leuchtenden Punkten Wörter formen (Bühne: Georg Burger). Vor allem die gruseligen bis grotesken Beschimpfungen, denen Netti ausgesetzt ist. „Hodenkobold“ ist noch das Harmloseste. Wem pädagogische Bedenken kommen, ob solches Vokabular nicht den Nachwuchs verdirbt, der sollte sich mal eine Stunde auf einen beliebigen Berliner Schulhof stellen und anhören, was Jugendliche sich schon ohne den Schutz der Anonymität an den Kopf werfen.

Netti (toll mit trotziger Verzweiflung: Ensemblegast Luisa-Charlotte Schulz) hat zwar liebevolle bis überfürsorgliche Eltern (Regine Seidler und René Schubert). Traut sich aber nicht, ihnen ihre Netz-Not zu offenbaren. Großer Fehler. So kann sich Rädelsführerin Fever (Amelie Köder) austoben und Mitläufer wie die den abtrünnigen Julius (Frederic Phung) unter ihrer Fuchtel halten. Bis beim Kostümfest die Einhornjagd eine brutale Wende nimmt. Es ist ein großartiges Stück in ebenso guter Regie. Nicht nur stößt „Alle außer das Einhorn“ wichtige Fragen über den Umgang mit sozialen und asozialen Medien an. Sondern es geht hier auch, ganz im Grips-Geiste, um Mut und Solidarität.

wieder am 20., 29. und 30. Mai sowie im Juni und Juli

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