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Kühl und klar: die Neuseeländerin Aldous Harding.

© FKP Scorpio

Aldous Harding in Berlin: Intimität und Irrwitz

Eigensinnig: Die neuseeländische Singer-Songwriterin Aldous Harding setzt bei ihrem Berliner Konzert allein auf die Stärke ihrer Stimme.

Eigentlich funktioniert die Musik von Aldous Harding nur unter einer Vakuumglocke. Doch damit kann der kleine Konzertsaal im „Musik & Frieden“ leider nicht dienen. Auch wenn sicher niemand der 200 Anwesenden etwas dagegen hätte, wenn die unerträglich feuchtwarme Luft abgesaugt würde, die sich im Lauf des Abends auf Saunatemperatur einpendelt.

Während Harding das erste Lied anstimmt, schieben die Thekenkräfte noch Bierkästen durch das Publikum, immer wieder rauscht das Funkgerät der Security dazwischen. Auch die Sängerin scheint mit den klanglichen Gegebenheiten nicht einverstanden zu sein. Aus ihren Monitorboxen tönten Geräusche, als würde jemand eine Tüte Chips aufreißen, beschwert sie sich in Richtung Mischpult.

Viel mehr Worte verliert die gebürtige Neuseeländerin nicht. Das Verhältnis zum Publikum als unterkühlt zu bezeichnen, wäre noch übertrieben, offensichtlich schont sie ihre Stimmbänder für ihren Gesang. Aber der ist dann von eben jener umwerfend klaren, einfachen Schönheit, die schon die Kritiker ihres zweiten, im Mai erschienenen Albums „Party“ begeistert hat.

Von Höllenqualen gepeinigt

Mal erklimmt sie mit ihrer warmen Stimme spektakuläre Höhen, nur um im nächsten Augenblick das zarte Geflecht ihrer Kompositionen wie ein trotziges Kind zu zerstören. Obwohl die Lieder einen gewissen Hang zum Morbiden haben, strahlen sie eine Sanftmut aus, die weniger an Down Under denn an isländische Weiten erinnert. Die widersprüchliche Ästhetik Hardings spiegelt sich auch in Songtiteln wie „What If Birds Don’t Sing They’re Screaming“ wider. Darin säuselt sie zwar wie der besungene Vogel, doch wird man das beklemmende Gefühl nicht los, permanent angeschrien zu werden.

Vielleicht ist dieser Eindruck auch der Mimik der 27-Jährigen geschuldet. Harding grimassiert, verzieht den Mund immer wieder zu einem diabolischen Grinsen und verdreht ihre Pupillen dermaßen weit nach hinten, dass im Publikum viele besorgt dreinblicken. Durch das verschrobene Mienenspiel wirkt sie wie eine von Höllenqualen Gepeinigte. Intimität und Wahnwitz liegen dicht beieinander.

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Manchmal gesellt sich ein Keyboarder zu Harding, dann und wann huscht ein Bassist herbei. Dazu erklingen sanfte Rhythmen aus einem Drumcomputer. Nach nicht einmal einer Stunde ist der Spuk vorbei. Eine kurze Neukomposition als Zugabe, dann verschwindet die Musikerin. Was war das jetzt? Vielleicht lässt es sich am besten in den Worten Aldous Hardings selbst fassen. Gegenüber einem Journalisten stellte sie kürzlich fest: „Es wäre doch schön, wenn man einfach schreiben könnte: Aldous Harding – es war weird, ich weiß nicht so recht. Es war komisch.“ Und auf ihre Art auch ziemlich großartig.

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