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Meister des Understatement. Robert Forster lebt in der Millionenstadt Brisbane, die er „Big Country Town“ nennt.

© Bleddyn Butler/Tapete Records

Album „Inferno“ von Robert Forster: Wenn ich ein Vogel wär

Der Sound gestreiften Sonnenlichts: Robert Forster, bekannt geworden mit den Go-Betweens, hat mit „Inferno“ sein bestes Soloalbum veröffentlicht.

Seinen Aufstieg als Abstieg zu feiern, das verströmt den diskreten Charme der Pop-Ironie. Unschlagbare Songs schreiben, Alben veröffentlichen, die als Klassiker gelten, treue Fans haben? Von Anfang an geht es bergab. Zu hymnisch scheppernden Gitarren und einem fröhlich grummelnden Bass singt Robert Forster von seiner Mutter, die die Wäsche aufhängt, und dem Vater, dessen Jobs man ignorieren soll. Vom nächsten Wochenende, das genauso langweilig sein wird wie das davor. Und vom Gefühl, zu jeder Zeit von jedem überholt werden zu können.

Die Botschaft, herausgepresst im Falsett, lautet: „I don’t need no fame.“ Dabei hat es der Gründer der Go-Betweens zwar nie sehr weit in die Hitparaden, aber doch zu gewissem Ruhm, beinahe zum Legendenstatus gebracht. „No Fame“, das in einem beatleesk zerdehnten Schlusschor mündet, ist der Schlüsselsong von Forsters bislang besten Soloalbum „Inferno“.

Himmelhochjauzende Melancholie

Der Sänger und Gitarrist beherrscht die Kunst, große, himmelhochjauchzende Popmelodien mit melancholischen Mollakkorden zu grundieren. Das hat er schon mit den Go-Betweens bewiesen, die in den achtziger Jahren von Australien aus die Welt des Indierock eroberten. Forster löste die Band auf, nachdem sein kongenialer Mitstreiter Grant McLennan 2006 gestorben war. „Life Has Turned a Page“ lautet der lakonische Titel eines Stücks auf „Inferno“, das – begleitet von Glockenspiel und sanften Bongos – von einem Liebespaar erzählt, aus dem eine Familie wird, und von ihrem Haus am Meer, in dem man im Hintergrund die Surfwellen heranbranden hört. Der Wellengang des Lebens.

Entstanden ist Forsters siebtes Soloalbum, das erste seit vier Jahren, im letzten, sehr heißen Sommer in Berlin. Produziert hat es Victor Van Vugt, der lange mit Nick Cave und den Bad Seeds und später mit PJ Harvey und Fisherspooner arbeitete. Mit im Studio waren unter anderem der Tindersticks-Schlagzeuger Earl Havin und der Keyboarder Michael Mühlhaus, einst bei den Hamburger-Schule-Gruppen Blumfeld und Kante aktiv. Die Violine, bereits bei den Go-Betweens als Begleitinstrument für zusätzliche Wehmut zuständig, wird von Forsters Ehefrau Karin Bäumler gespielt, mit der er fünf Jahre in Regensburg gelebt hat. Inzwischen sind sie längst nach Brisbane gezogen. Die Stadt in Australiens Nordosten hat fast drei Millionen Einwohner, doch Forster, der 1957 dort geboren wurde, nennt sie „Big Country Town“, große Landstadt.

Die Welt hat Risse

„Love is all“, stellt der Sänger im Eröffnungssong „Crazy Jane On The Day of Judgement“ fest, um nach einer Kunstpause hinzuzufügen: „unsatisfied“. Die Liebe ist alles, aber zufrieden mit ihr ist man nie. Wobei er selber die Liebe seines Leben doch lange gefunden zu haben scheint. Aus federnden Gitarren und den Seufzern einer Backgroundsängerin steigt eine kleine betörende Klaviermelodie empor.

„Sometimes the world has cracks I fell through“, klagt Forster in der verhalten beginnenden, dann wuchtig beschleunigenden Hymne „Remain“. Manchmal bekommt die Welt Risse und man fällt hinein. Wer verschwindet, kann aber auch wiederauferstehen. Triumphal. Es geht um einen Filmkünstler, der mutmaßlich in New York den „big city dream“ von den „big city screens“ geträumt hat.

„Der Sound gestreiften Sonnenlichts“, so beschreibt Forster in seiner vor zwei Jahren auf Deutsch erschienenen Autobiografie „Grant & ich“ die Musik der Go-Betweens. Dasselbe lässt sich auch von seinen Soloplatten sagen: Sie leuchten taghell und sind mit Schatten schraffiert. Das Buch ist ein Denkmal für McLennan, den „tatkräftigsten und kreativsten Menschen, den ich jemals getroffen habe“, so Forster. Sie lernten einander bei einem „Einführung in die Literatur“-Seminar an der anglistischen Fakultät der Universität von Brisbane kennen. Forster, der sein Rock’n’Roll-Erweckungserlebnis hatte, als er David Bowie im Radio „Starman“ singen hörte, brachte dem Freund das Bassspielen bei.

Literarischer Ehrgeiz

Eines der ersten Lieder, die Robert Forster schrieb, hieß „Karen“. Es war der Bibliothekarin gewidmet, die ihm half, zu Brecht, James Joyce und Raymond Chandler zu finden. Literarischer Ehrgeiz lässt sich auch am Bandnamen The Go-Betweens ablesen, der sich auf einen Roman des Schriftstellers L.P. Hartley bezieht. Alternativ hatte Forster über den Namen The Hepburns nachgedacht, wegen Katharine Hepburn und dem Rock’n’Roll- Klang von „Hep“ und „Burn“.

Australien war damals weitgehend abgehängt von den Entwicklungen der Pop-Welt. Die damals einflussreichen Musikzeitschriften „NME“ und „Melody Maker“ erreichten den Kontinent erst mit monatelanger Verspätung. So konnte ein Sound entstehen, der mit seinem Rückgriff auf die Twang-Gitarrenmusik der Sixties anachronistisch und erfrischend anders klang. Als Forster und McLennan, beflügelt vom Lob für ihre ersten Aufnahmen, nach London gingen, mussten sie sich anhören, dass ihre Songs „viel zu poppig“ seien. Im zweiten Anlauf bekamen sie einen Vertrag beim Plattenlabel Rough Trade.

„Inferno“ endet beinahe episch mit der Klavier-Gitarren-Ballade „One Bird In The Sky“, einer Mischung aus Naturbetrachtung und Introspektion. Der Vogel, der da majestätisch durch den Himmel gleitet, das ist der Sänger selbst. „Time to hit the ground / time to walk around / time to do my thing.“ Leben heißt schweben. Doch das schönste an Höhenflügen ist immer die Landung.

„Inferno“ von Robert Forster ist bei Tapete Records erschienen. Konzert am 30. April im Festsaal Kreuzberg.

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