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Lisa Baeyens, Rosa Mercedes und Albertine Sarges (von links) sind zusammen Albertine Sarges & The Sticky Fingers.

© Promo

Albertine Sarges & The Sticky Fingers: Die Entdeckung der dritten Dimension

Albertine Sarges ist eine vielseitige Berliner Popmusikerin. Jetzt spielt sie mit den Sticky Fingers und dem Italo-Pop-Duo Itaca beim Torstraßenfestival.

Manchmal lohnt es sich, ein bisschen dreist zu sein, wenn man sich einen lang gehegten Traum erfüllen möchte. Auch etwas Übermut im richtigen Moment kann nicht schaden. Für Albertine Sarges kommt all das im letzten November auf der Bühne der Kreuzberger Musikbar Madame Claude zusammen. Es ist voll und heiß, die Nebelmaschine läuft und sie soll das erste Konzert mit ihrer neuen Band, den Sticky Fingers, geben. Lisa Baeyens und Rosa Mercedes stehen schon bereit, als Sarges, statt den ersten Song zu spielen, zu reden beginnt – und einfach nicht mehr aufhört. „Ich wollte schon immer mal Stand-up-Comedy machen, habe mich aber nie getraut“, erinnert sich die 31-Jährige. „Dann habe ich diesen Text geschrieben, niemandem davon erzählt und es einfach gemacht.“

Der Text drehte sich um das Thema Untervermietung, während man verreist ist, und verwirrte auch ihre Mitmusikerinnen. „Lisa und ich dachten, dass Albertine vielleicht besoffen ist“, sagt Bassistin Rosa Mercedes, die zusammen mit Sarges zum Gespräch in ein Café an der Rummelsburger Bucht gekommen ist. In der Nähe liegt ihr Probenraum. Dort müssen sie später noch hin, denn in der nächsten Woche steht ihr nächster Auftritt an. Das Trio ist zum dreitägigen Torstraßenfestival eingeladen, das ab Freitag zum achten Mal stattfindet. Die Stand-up-Einlage hat ihnen also nicht geschadet – im Gegenteil, nach dem Konzert folgten Einladungen zu weiteren Konzerten im Schokoladen und im Ausland.

Die Gruppe ist für alle drei ein Neben- und Herzensprojekt. Geld verdienen sie in anderen Bands oder wie Lisa Bayens an der Musikschule Spandau. Doch bei Albertine Sarges & The Sticky Fingers können sie ohne Druck ihre Freiheit genießen, wie Rosa Mercedes es ausdrückt. Die 26-jährige Engländerin ist auch Malerin und spielt sonst beim Indie-Pop-Trio Alright Gandhi. Dort singt sie, spielt Bass, komponiert, gestaltet die Cover. In ihrer neuen Gruppe stammen die Lieder von Albertine Sarges, die in Kreuzberg aufwuchs und mit 15 begann, mit ihren Singer-Songwriter-Liedern aufzutreten.

Nudeln mit Popcorn

Vergangenes Jahr öffnete sie ihren Sound mit der EP „Shrimp Favour“ in Richtung eines feinen Lo-Fi-Indie-Pops, der gelegentlich an ihre Berliner Kollegin Masha Qrella erinnert. Aufgenommen an drei verregneten Juni- Tagen in einem vollgerümpelten Heizungshäuschen, bekommen Stücke wie das munter groovende „You + Me + The Girls“ mit der Bandbesetzung noch mal einen anderen Drive. So gibt Lisa Baeyens dem Song mit ihrer Querflöte einen luftig-psychedelischen Dreh und Sarges freut sich, dass sie die Background-Gesänge jetzt nicht mehr mit sich selbst simulieren muss. Alles sei durch die beiden Freundinnen an ihrer Seite lebendiger und dynamischer geworden. Sie vergleicht den Effekt mit der Brille, die sie heute zum ersten Mal trägt: „Ich schiele, habe aber nie eine Brille getragen, die das verhindert. Seit heute habe ich Gläser, die mir helfen, mit beiden Augen auf dasselbe Objekt zu fokussieren. Ich sehe jetzt 3D, und das ist der Wahnsinn! Mit der Band ist es genauso: Alles ist jetzt dreidimensional. Man kann um die Songs herumgehen und sie sich von hinten anschauen“, sagt sie.

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Mehrdimensionalität ist Sarges ohnehin wichtig. Sie möchte immer möglichst viele Sinne ansprechen, weshalb sie den Download-Code für die EP zusammen mit einer Portion Instant-Nudelsuppe verschickt, deren Verpackung eigens dafür designt wurde. Die Musikerin kocht leidenschaftlich gern und experimentierte eine Weile mit Popcorn herum. Eine Honig-Salz-Version entwickelte sich zu ihrem Favoriten. „Einmal waren die Mädchen bei mir, wir haben das Popcorn gegessen und dann mit den klebrigen Fingern einfach weiter Musik gemacht.“ Womit der Bandname gefunden war – und nein, an das „Sticky Fingers“-Album der Rolling Stones haben sie nicht gedacht.

Beim Gespräch am Ufer fantasieren die beiden noch ein bisschen darüber, wie sie Popcorn in ihre Shows integrieren könnten. Am liebsten würden sie es live aufpoppen und direkt in die Fan-Münder der ersten Reihe fliegen lassen. Bis zur Bühnenreife wird es wohl noch ein Weilchen dauern. Doch schon jetzt hat das Trio, das beim Festival von einem E-Pad-Drummer unterstützt wird, eine tollen Spezialeffekt für den Geruchssinn im Programm: Bei dem Song „Oh My Love“, der auf der EP einen französischen Spoken-Word-Teil hat, wird Rosa Mercedes stattdessen eine Parfüm-Rezension vorlesen – die berührende Erinnerung einer in die Jahre gekommenen einstigen Partygängerin. Währenddessen baut Sarges eine Soundkulisse auf und Baeyens geht durchs Publikum, um den beschriebenen Duft zu versprühen. Ein guter Service angesichts der zu erwartenden hohen Temperaturen, bei denen sich das Bandmotto „Locker tanzen ohne Schwitzen“ wahrscheinlich nicht von allen in die Tat umsetzen lässt.

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Das Repertoire ist derzeit noch relativ überschaubar, weshalb Albertine Sarges, die sonst in der Band von Kat Frankie Keyboard spielt und bei Holly Herndon mitsingt, gerade an Demos mit neuem Material bastelt. Für Song-Nachschub sorgt sie außerdem bei ihrem zweiten Projekt, dem Italo-Pop-Duo Itaca, das gerade seine zweite Platte aufnimmt. Mit dem 2017 veröffentlichten Debüt „Itaca mi Manchi“ waren Sarges und ihr Partner Sebastian Eppner vor allem in Italien erfolgreich, wo sie regelmäßig touren. Die Geschichte von Ossi Viola und Lo Selbo, wie die beiden sich bei Itaca nennen, klingt märchenhaft, ist aber wahr, wie Sarges betont: Als sie in Rom studierte, verliebte sich sich in Eppner, der dort zu Besuch war, und sie begannen überkandidelten Achtziger-Pop mit italienischen Texten aufzunehmen.

Ihr erster italienischer Auftritt fand auf einem Festival in einem besetzten Haus statt. „Viele Punker, viele Hunde, sehr beängstigend. Wir dachten: Die bewerfen uns gleich mit Tomaten“, erinnert sich Sarges. „Doch es war ein Triumph. Sie haben das gefeiert und wir mussten sofort ein Interview im Hausbesetzer-Radio geben.“ Durch diese Szene wurde das nach Homers Heimatinsel benannte Duo in Italien bekannt. Am Sonntag spielt der Quasi-Re- Import in der Volksbühne. Locker tanzen ohne Schwitzen – klappt auch mit Itaca.

Albertine Sarges & The Sticky Fingers: 9.6., 20 Uhr, Kaffee Burger. Itaca: 10.9., 19 Uhr, Volksbühne.

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