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Klaus Staeck geht - und hat sich mit der Ausstellung "Kunst für alle" in der Akademie der Künste verabschiedet.

© Britta Pedersen/dpa

Akademie der Künste in Berlin: Wer folgt Klaus Staeck nach?

Ende der Ära Staeck: Die Akademie der Künste wählt am Samstag einen neuen Präsidenten. Wird es zum ersten Mal eine Frau an die Spitze schaffen?

Günter Grass, Walter Jens, Heiner Müller György Konrád, Adolf Muschg. Schaut man nur auf die Namen der Präsidenten der letzten dreißig Jahre, dann müsste man die Akademie der Künste für eine literarische Veranstaltung halten. Und das trifft auch zu, weitgehend. Denn viele Schriftsteller der Generation Grass haben sich als Intellektuelle mit gesellschaftlicher Mission verstanden, als Widerständige im Mainstream.

Das ist der Auftrag der über 300 Jahre alten Akademie, ihr Gesetz: die Kunst zu vertreten, die Politik zu beraten, zu mahnen, zu warnen. In einem Interview hat der scheidende Akademie-Präsident Klaus Staeck gesagt: „Eine Gesellschaft, die sich eine Institution wie unsere leistet, hat Anspruch darauf, etwas zurückzubekommen.“ Er fügte hinzu: „ Nicht Selbstgenügsamkeit, sondern Einmischung ist die erste Bürgerpflicht.

Zum ersten Mal eine Frau an der Spitze?

Klaus Staeck, seit 2006 im Amt, ist kein Literat. Man kennt ihn als Plakatkünstler und Aktivist, so hat er sich gut in die Reihe der engagierten Schriftsteller eingereiht. Nun tritt der 77-Jährige ab. Am Samstag sind die rund 400 Mitglieder der Akademie zur Wahl eines neuen Präsidenten aufgerufen. Vermutlich wird es zum ersten Mal eine Präsidentin. Das möchte auch Klaus Staeck: eine Frau an der Spitze. Es kandidiert die Filmregisseurin Jeanine Meerapfel (71). Als mögliche Vizepräsidentin gilt die Schriftstellerin Kathrin Röggla (43). Dieses Amt hat, ebenfalls seit 2006, Nele Hertling inne.

Die Akademie ist eine ruhige Institution. Auch wenn sie sich in ihren Sektionen in den letzten Jahren stark verjüngt hat, haftet ihr doch das Image einer gewissen Ehrwürdigkeit an. Eine stürmische Wahl steht ihr wohl nicht bevor. Nach erfolgter Abstimmung wollen die Mitglieder noch einmal Günter Grass würdigen. Auch Klaus Staeck wird sprechen.

Es ist schwierig geworden, das Wirken der Akademie zu beurteilen. Denn das, was ihr geistiges Geschäft sein soll und ist, wird inzwischen von vielen Menschen und Einrichtungen in Berlin besorgt: das Debattieren, das Aufgreifen heißer Themen. Sollen Karikaturisten einknicken nach den mörderischen Anschlägen von Paris? Das ist eine typische Akademie-Frage. Antwort: natürlich nicht. Beim transatlantischen Handelsabkommen ist es schon komplizierter. Wer blickt da durch? Muss man Alarm schlagen und die gewachsene, staatlich geförderte Kultur bedroht sehen?

Alleinstellungsmerkmal und Konkurrenz

Podien, Panels: Die Stadt ist voll davon. Die Hauptstadt debattiert gern. Das zeigt sich im Haus der Kulturen der Welt, bei der Stiftung Zukunft Berlin, beim Allianz-Kulturforum gegenüber dem gläsernen Akademie-Bau am Pariser Platz, in der American Academy oder auch im Hebbel am Ufer. Der Talk of the town wechselt schnell. Sicher ist: Berlin ist Talkshow-Town. Die Akademie hat im Kampf um die kostbaren Ressourcen Zeit und Aufmerksamkeit starke Konkurrenz.

Und sie hat das Eigene, das nur ihr gehört – mit dem Haus am Hanseatenweg eine der schönsten Kulturadressen der Stadt. Im letzten Jahr war dort die Rekonstruktion des „Triadischen Balletts“ von Oskar Schlemmer zu sehen, und kürzlich gastierte, wohl zum letzten Mal, die Tanzcompagnie von Trisha Brown. Der moderne Tanz braucht ein Gedächtnis. Das weiß Nele Hertling sehr gut, die lange das Hebbel-Theater geleitet und davor schon Tanz, Musik, Theater auf die Bühne der Akademie geholt hat.

Wie sehr muss sich die Akademie verändern?

Lässt sich die Akademie verändern, muss das sein? Vielleicht liegt ihre Stärke – in dieser Zeit – eher im Bewahren und Aufheben. Das Akademie-Archiv ist der Anker der Institution. 1100 Einzelbestände und Nachlässe werden hier gepflegt, auf 12 000 Regalmetern. Kunst und Kultur des 20. Jahrhunderts, die Künstler der Emigration, die Bestände der DDR, die Nachlässe von Bertolt Brecht, Walter Benjamin, Heiner Müller. Anfang April hat die neue Archivdirektorin Birgit Jooss ihre Arbeit aufgenommen und Wolfgang Trautwein nach 27 Jahren abgelöst. Das Archiv der Akademie versteht sich interdisziplinär, es ist bei Weitem nicht nur ein Literaturarchiv.

Es gab früher durchaus Turbulenzen: beim Bau des Architekten Günter Behnisch am Pariser Platz, er wurde 2005 eingeweiht. Und natürlich bei der Vereinigung von Ost und West, die sich bis 1993 hinzog. Da war die Akademie, waren die Akademien in einer Art und Weise mit sich selbst beschäftigt, die viel erzählt hat über die Lage und die Mentalität im Land, über den Umgang mit Geschichte. 1989 ist Grass dann auch mal aus der Akademie ausgetreten, der er mangelnde Solidarität mit Salman Rushdie vorwarf. 2012 trat Rolf Hochhuth aus, wegen des Israel-Gedichts von Grass.

Eine neue Leitfigur finden. Einen ehemaligen, kürzlich verstorbenen Präsidenten und Nobelpreisträger ehren. Den scheidenden Anführern danken. Das ist das Programm fürs Wochenende. Was einer geschafft hat und was nicht, merkt man oft erst, wenn er gegangen ist. So wird es bei Klaus Staeck sein. So wäre es, wenn es die Akademie der Künste einmal nicht mehr gäbe.

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