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Demokratische Kunst. Ai Weiwei vor seiner Schutzwesten-Installation.

© AFP//J.Macdougall

Ai Weiwei kooperiert mit Hornbach: Was macht der Künstler im Baumarkt?

Alle können sich jetzt ein Original von Ai aus Metallstangen und Schutzwesten basteln. Die Bauteile gibt es im Heimwerkermarkt.

Von Jonas Bickelmann

Der chinesische Künstler Ai Weiwei und die Baumarktkette Hornbach präsentieren in Berlin gemeinsam ein Werk namens „Safety Jackets Zipped the Other Way“. Das Material: orangefarbene Arbeitsschutzjacken mit Reflektorstreifen. Die Pointe: Alle Bestandteile der Installation sind in gewöhnlichen Geschäften erhältlich. Man darf raten, in welchem Heimwerkermarkt er einkaufen war.

Natürlich ist die Aktion für die deutsche Kette Werbung. Die Konzernkommunikation dürfte sich freuen, wenn ein international berühmter Künstler von seinen „Rechercheausflügen bei Hornbach“ berichtet.

Aber weil PR am besten funktioniert, wenn sie politisch aufgeladen ist, betonen Ai und Hornbach, dass es sich um ein „demokratisches“ Kunstwerk handelt. Jeder Nachbau sei ein Original.

Der Künstler sieht sich als Ideengeber, er hat mit dem einzelnen Werk nur so viel zu tun wie eine Ikea-Designerin mit dem von ihr entworfenen Regal.

Ein Kunstobjekt zum Selberbauen als Deko-Alternative

So bauen beim Pressetermin in Ais geräumigem Gewölbe-Atelier in Prenzlauer Berg drei Menschen in Hemden mit dem Baumarkt-Logo das Werk auf, während Ai im Nebenraum Interviews gibt. Sie verbinden lange Metallrohre zu einem Gestell, das sich schräg kreuzt. Als nächstes werden die Schutzjacken an den Reißverschlüssen miteinander gebunden und über das Gestell gehängt.

Dann stellen die Mitarbeiter die Konstruktion auf und lehnen sie an die Wand. Des Ficus benjamini im Esszimmer überdrüssig? Vielleicht ist dieses Kunstobjekt zum Selberbauen ja eine Deko-Alternative.

Niemand wird in Frage stellen, dass Baumärkte für den größten Teil der Bevölkerung wichtigere Orte sind als zeitgenössische Kunstgalerien. Auch Ai erzählt, dass er die Museen ein wenig satt habe. „Das ist die Möglichkeit, die Leute zu erreichen“, sagt er.

Der Baumarkt und der Künstler helfen sich also gegenseitig. Ai steuert die künstlerische Marke bei, die in seinem Fall mit der vielbeschworenen Rolle des Dissidenten angereichert ist. Der Markt mit dem H steht bislang für keines von beidem. Aber gerade weil er so normal ist, taugt er einem Ai Weiwei als Schmuck.

Ai Weiwei bezieht sich auf Duchamp und sein Readymade

Freilich fällt auch der Name Marcel Duchamp, der Erfinder des Readymade, bei dem ein beliebiges Objekt oder alltägliches Massenprodukt zum Kunstwerk erhoben werden kann. In dieser Tradition sehen sich auch Ai und der Baumarkt.

Und ganz nebenbei: Bei Hornbach oder einer der Konkurrenzketten lässt sich übrigens auch das Material erwerben, um Duchamps berühmtes Readymade „Fountain“ von 1917 nachzubauen: ein Pissoir.

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