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Wolf (Sebastian Blomberg, links) mit Rafid Alwan, Deckname „Curveball“ (Dar Salim).

© Sten Mende

Agentensatire „Curveball“: Die Gurkentruppe vom BND

Johannes Nabers Politfarce „Curveball“ zeigt wie Deutschland den USA den Irak-Kriegsgrund lieferte.

Pullach ist ganz schön piefig. Lauter Schreibtischhengste und Wichtigheimer arbeiten hier beim BND, mit mächtigen Ambitionen Richtung Berlin. Endlich auf Augenhöhe mit der Konkurrenz vom MI6 und der CIA, endlich Aufmerksamkeit vom Kanzleramt, darauf sind alle hier scharf. Was für eine Gurkentruppe.

Aber der satirische Ton will nicht recht gelingen in Johannes Nabers Geheimdienstfarce „Curveball“. Mal trägt er zu dick auf, wenn er die Herren ständig aus der Untersicht und mit verschatteten Gesichtern filmt, während sie vor lauter Kraft nicht mehr laufen können. Mal versandet der Witz, wenn „Quellenführer“ Retzlaff (Michael Wittenborn) permanent pfeifeschmauchend durchs Bild läuft und Abteilungsleiter Schatz (Thorsten Merten) es mit den immergleichen Drohgebärden versucht, als die Sache aus dem Ruder läuft. Und dann wird es so bitterernst, dass Karikaturen sich eh verbieten.

Die Sache: Der schüchterne, keineswegs karriereversessene BND-Biowaffen-Spezialist Arndt Wolf (Sebastian Blomberg) würde zu gerne wieder zurück in den Irak, nachdem Saddam Hussein ihn und die anderen UN-Inspektoren aus dem Land geworfen hat. Aber erstmal wird er zu Rate gezogen, als ein irakischer Asylbewerber im Auffanglager Zirndorf behauptet, er habe als Ingenieur in einer Biowaffenfabrik gearbeitet, in der Anthrax hergestellt wird. Dass der Irak weiter heimlich an Giftstoffen arbeitet, hatte Wolf schon immer vermutet; er wird auf Rafid Alwan (Dar Salim) angesetzt.

Deckname Curveball: Als Rafid ihm auf einer Serviette einen LKW skizziert, angeblich eine von sieben mobilen Giftkampfstoff-Fabriken in seiner Heimat, glaubt er ihm nur zu gerne. Schatz, Wolfs Chef, ist begeistert und gibt die Info voller Stolz weiter, an die Bundesregierung wie an die Geheimdienste. Aber Wolf merkt schon bald, dass er einem Hochstapler aufgesessen ist, der mit seinen Lügen nur einen deutschen Pass ergattern will. Als er dies wahrheitsgemäß weitergibt, verliert er seinen Job. Schatz hingegen wird befördert, überhaupt unterschlägt der BND den höheren Stellen, dass es sich um einen Schwindel handelt. Die Amis glauben weiter, Curveball sei eine seriöse Quelle.

Die Geschichte ist wahr, sie spielt in der Zeit um 9/11. Als die Bush-Administration nach einer Rechtfertigung sucht, um nach den Terroranschlägen in den Irak einzumarschieren, kommen ihr die Anthrax-Trucks gerade recht. Im Februar 2003 präsentiert Colin Powell der UN-Vollversammlung detaillierte Zeichnungen von den Anreicherungsanlagen auf Rädern, wenige Wochen später wird Bagdad bombardiert.

Die meisten Details der Anthrax- Lüge sind inzwischen bekannt, über Investigativrecherchen, einen Untersuchungsausschuss, Dokumentationen. Selbst Colin Powell gab später den Irrtum zu. Das Kanzleramt wusste schon 2002 von Rafids Fragwürdigkeit, behielt sein Wissen aber für sich. Ein Skandal, der hierzulande erstaunlich wenig Aufmerksamkeit erregte. Ausgerechnet Deutschland, das sich nicht an der Irak-Invasion beteiligte und sich moralisch integer wähnte, lieferte den Kriegsgrund dafür. Das ist das Ungemütliche an Nabers Film.

Was ist die Wahrheit? Eine Illusion, heißt es im Vorspann. Die Wahrheit spielt keine Rolle, sagt Leslie, Wolfs US-Kollegin, mit der er im Irak eine Affäre hatte. Aber was gibt euch das Recht, die Fakten zu verdrehen?, fragt er sie. Wir machen die Fakten, so die Antwort. Schade, dass die teils geschliffenen Dialoge nicht von einem überzeugenderen Ensemble vorgetragen werden: Virginia Kull als Leslie bleibt blass.

Und Sebastian Blomberg? In Nabers Kammerspiel „Zeit der Kannibalen“ verkörperte er einen ausgebufften Businessmann, ein Alphatier, das auf nichts als Profitmaximierung aus ist. Diesmal spielt er einen linkischen, redlichen Typen. Als Wolf kaltgestellt wird, hängt er frustriert zu Hause herum, verwahrlost, trinkt, kommt kaum noch aus dem Pyjama. Auch das ist etwas dick aufgetragen und redundant – Nuancen gewinnt Blomberg seinem einsamen Wolf nicht ab.

Immerhin kommt es zum aberwitzigen Showdown, als der von Leslie und Co. in die Alpen entführte Rafid seine Lüge per Fernsehinterview vor der Weltöffentlichkeit wiederholen soll, damit Amerika endlich Krieg führen kann. Wolfs Befreiungsaktion (immer noch im Pyjama) beschert dem Publikum eine groteske Verfolgungsjagd mit Rodelschlitten. Zwei Männer im Tiefschnee, Bond lässt grüßen, warum nicht. Sonst nimmt „Curveball“ jedoch selten Fahrt auf, Regisseur Naber setzt vor allem auf den monochromen Look düsterer Büros und gesichtsloser Interieurs. Ein Minimalismus, dessen trockener Witz sich früh erschöpft. Christiane Peitz

In zehn Berliner Kinos. OmU: fsk, Wolf

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