zum Hauptinhalt
Isabel (Michelle Williams, mit Vir Pachisia) muss nach New York, um eine Großspende für ihr Waisenhaus abzuholen.

© Telepool

„After the Wedding“ im Kino: Michelle Williams kämpft für ein Waisenhaus in Kalkutta

Wie originell kann ein Remake sein? Die US-Version von „Nach der Hochzeit“ ersetzt die männlichen Hauptdarsteller durch Michelle Williams und Julianne Moore.

Susanne Biers „Nach der Hochzeit“ war 2007 für den Oscar nominiert, gewonnen hat damals „Das Leben der Anderen“. Zehn Jahre später versucht es Hollywood noch einmal selber. Die größte Änderung: Die beiden Menschen, in denen verschiedene Welten sich begegnen, waren bei Susanne Bier Männer – Mads Mikkelsen und Rolf Lassgård. In Bart Freundlichs Neuverfilmung sind es Michelle Williams und Julianne Moore. Die Frage nur: Wie original kann ein Remake sein?

Die Ruhe eines indischen Tempels. Eine weiße Frau und indische Jungen versunken in Meditation. Wobei schon ein Blick in ihre Gesichter genügt, um zu wissen, dass Kinder kaum begabt sind für vorsätzliche Weltabwesenheiten. Alles an ihnen ist vibrierendes Da-Sein, Aufbruch, Spiel. Die Amerikanerin mag solche Balancierungen nötig haben. Beim Blick in Michelle Williams’ offenes Gesicht möchte man fast glauben, dass keine Kompliziertheit vor ihr Bestand haben kann. Natürlich schafft sie es, dieses Waisenhaus in Kalkutta über Wasser zu halten. Und doch kommt die in Aussicht gestellte große Spende aus Amerika gerade recht. Dass sie dafür nach New York fliegen soll, allerdings nicht.

Isabel spricht es nicht aus, doch es untermalt jeden halben Blick, jede Geste der Einbestellten: Verachtung für die Betriebsamen einer Scheinwelt, die ihre Tage mit lauter absurden Geschäften füllen – von Kalkutta aus gesehen – und doch die Herren der Welt sind. So wie die Werbefrau Theresa (Julianne Moore, zuletzt in "Gloria" zu sehen), Millionenspenderin und Begründerin eines ganzen Scheinimperiums.

Zwei Frauen, eine Geschichte

Schon das Hotelzimmer, in dem sie die Entwicklungshelferin unterbringt, ist vor allem eins: in seinem Überfluss durch und durch obszön. Zwischen den Frauen stellt sich eine Spannung her. In der Welt der Werbefrau ist Isabel ein Nichts, allerdings ein äußerst widerspenstiges, das sich zunehmend eine Frage stellt: Warum ausgerechnet mein Waisenhaus? „After the Wedding“ ist der Film von Michelle Williams und Julianne Moore, zwei Frauen mit einer Geschichte.

Und doch weiß der Zuschauer zu diesem Zeitpunkt schon mehr über die Unternehmerin. Ist die Art, wie jene ein herabgefallenes Vogelnest vom Boden aufhob und nach Hause trug, bloße Sentimentalität? Und was bedeutete die vollkommen anlasslose Einfrau-Ekstase zur Musik aus dem Autoradio? Ein Mosaik setzt sich zusammen, doch lange scheint kein Stein zu passen. Weiche, warme Töne für das brodelnde Kalkutta, Amerika wie hinter Glas. Sollten in den Farben des Kinos Werturteile liegen, sie wären eindeutig.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

[In 8 Berliner Kinos]

Als Isabel zur Hochzeit von Theresas Tochter eingeladen wird, wehrt sie sich anfangs energisch. Was geht es sie an, wen die amerikanische Oberschicht heiratet? Viel, verstörend viel, wie sie erkennen muss. Denn die Braut erweist sich als Isabels verlorene Tochter und deren Vater, der Ehemann der Großspenderin, als ihre eigene Jugendliebe.

Nuancen seelischer Brutalität

Nun reicht’s aber, denkt nicht nur Isabel. Solche Handlungsbögen sind eine Beleidigung für jeden nicht-telenovelageformten Intellekt, selbst wenn die Auflösung noch folgt. Spätestens an dieser Stelle muss man sich auch eingestehen: Bart Freundlichs Nachschöpfung reicht an das dänische Original nicht heran.

Kein einziges Knirschen der Handlungsgelenke bei Susanne Bier ("Bird Box"), stattdessen die atemlose Dynamik eines Dogma-95-Familiendramas, in dem alles Außen zum Innen wird – egal ob Indien oder Dänemark. Und alles Inwendige dem Außen, den Blicken aller, preisgegeben wird. Der Zweikampf zwischen Geschäftswelt und karitativ gesonnenem Outsider hat bei Bier noch weit mehr Nuancen, vorzugsweise solche seelischer Brutalität. Ohnehin ist es viel unwahrscheinlicher, dass eine Frau ein Kind hat, von dem sie nichts weiß.

Es ist nicht leicht, von einem Augenblick auf den anderen eine erwachsene Tochter zu bekommen. In Freundlichs Remake besitzt die Annäherung von Nicht-mehr-Kind und Mutter eine große Zartheit. Mit allem gegenseitigen Ertasten und Zurückschaudern zwischen zwei allernächsten Fremden, fremden Allernächsten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false