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Für immer Ragazzo. Celentano, das geliebte Schlitzauge.

© Franz-Peter Tschauner/dpa

Adriano Celentano wird 80: Der zerknautschte Bacchus

Lässiges Genie: Adriano Celentano, Italiens größter Sänger, wird 80 Jahre alt - und ist bist heute immer ein Ragazzo geblieben.

Endgültig erreicht der Rock’n’Roll Italien in einer Sommernacht des Jahres 1960. Rom leuchtet. Noch immer liegt die Hitze des Tages über der Stadt, an den Caracalla-Thermen lodern Flammen aus Feuerschalen. Nichtsnutze treffen sich mit den Müßiggängern des Jetsets, das süße Nichtstun eskaliert beinahe zur Orgie. „Hey Rock’n’Roll!“-Rufe, Klatschen, Saxofongequietsche.

Ein spilleriger Junge in schwarzer Rockabillykluft springt ins Bild, er stottert: „I got a girl that I love so ready ready baby ready ready baby“. „Ready Teddy“ in sehr freier Version. Der junge Mann zappelt, zuckelt wie eine Dampflok, die gleich entgleisen wird, lässt sich auf den Boden fallen, singt, singt, singt. Anita Ekberg in ihrem berühmten tief dekolletierten Kleid tanzt mit ihm, ruft „Follow Me!“ und zieht die Festgemeinschaft lachend hinter sich her in Richtung Unterwelt.

Adriano Celentano ist 22 Jahre alt, als er in Federico Fellinis Jahrhundertfilm „La dolce vita“ auftritt. Der in Mailand geborene Rebell, ein gelernter Uhrmacher mit Wurzeln in Apulien, hat es mit den Rocky Boys bereits zu lokalem Ruhm gebracht. Sein Gassenhauer „l tuo bacio è come un rock“ war ein erster Hit. In „La dolce vita“ verkörpert er den Übermut und die Schlagfertigkeit eines Straßenjungen. Marcello Mastroianni schwebt mit Sonnenbrille und im eleganten Anzug durch den Film, Lex Barker ist betrunken, doch seine Pomadentolle sitzt wie angeklebt, nur Celentano hat sich nicht gekämmt. Er ist die zerknautschte Reinkarnation von Bacchus, dem antiken Gott aller Feiersüchtigen. Mit ihm geht die Party erst richtig los.

Bowie meinte: "Ich habe gleich mitbekommen, dass er ein Idiot ist"

„Il Molleggiato“, der Gefederte, nennen die Italiener den Sänger, der in seinem Heimatland 100 Millionen Tonträger verkauft hat. Er stakst tatsächlich ziemlich musikalisch. Adriano Celentano wird heute achtzig Jahr alt, ist aber für immer ein Ragazzo geblieben. Legendär seine Fernsehshow „Francamente me ne infischio“, in der 1999 David Bowie zu Gast war. Celentano setzt sich zu Bowie, grinst ihn an, wartet, fragt: „Gibt es deiner Meinung nach eine Zukunft?“

Bowies Antwort: „Für mich ja, und für dich?“ Damit ist Celentano nicht zufrieden, er hakt nach: „Kann man etwas tun, um die Kriege in der Welt zu beenden?“ Bowie, genervt: „Ich bin nicht derjenige, den man fragen sollte. Ich glaube, ich höre gerade Radio Moskau.“ Später schimpft der Brite: „Ich habe gleich mitbekommen, dass er ein Idiot ist.“

Ein italienischer Elvis und später der größte Entertainer des Landes konnte Celentano nur werden, weil er Presleys Hüftschwung nicht imitierte, sondern seinen eigenen Stil erfand, eine leicht schlamperte Form von Ekstase. Herrlich, wie er in „24 000 Baci“ mit „Yeah Yeah“- Jubel Sirenengesängen und Streichergirlanden trotzt, wie er „Una festa sui prati“ zu Bläsersätzen brummt, wie er Ben E. Kings Schmachtballade „Stand By Me“ zu „Pregherò“ italienisierte.

"Azzuro" war sein größter Hit

Den größten Hit schrieb sein Freund, der singende Rechtsanwalt Paolo Conte, im Aufruhrjahr 1968 für Celentano: „Azzuro“. Ein leicht patriotisches Sehnsuchtslied, das Peter Rubin kongenial eingedeutscht hat: „Azzurro, so ist der Himmel für Verliebte / Denn azzurro heißt blau.“ Celentano persönlichstes Stück heißt „Ragazzo della via gluck“, eine geigengesäumte Erinnerung an die Straße, in der er aufwuchs, und an die Wiese, auf der er spielte und die nun bebaut wird. „Das ist die Geschichte / Von einem von uns / Auch er wurde zufällig in der Via Gluck geboren.“ Sind wir nicht alle ewige Kinder?

Sein schauspielerisches Talent hält sich in Grenzen, trotzdem stieg Celentano zum Filmstar auf. Die Filmografie listet gut dreißig Titel auf, darunter die Kriegsklamotte „Onkel Addi – Gib dem Führer Saures“ und die Busfahrer-Liebelei „Gib dem Affen Zucker“ mit Ornela Muti, die eine Zeit lang seine Geliebte gewesen sein soll. In den Filmen steigt Celentano in einen Rolls Royce ein, um auf der anderen Seite wieder auszusteigen und auf seinem Fahrrad wegzufahren. Wenn er zu verschossen ist in Muti, hackt er Holz. „L’emigrante“ lief in Deutschland mit zwei Titeln: „Der Kleine mit dem großen Tick“ und „Ein Knallkopf in der Unterwelt“. Müsste man dringend mal wieder sehen.

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